© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/09 25. September 2009

Dem weißen Mann geht die Puste aus
Auch der FAZ-Journalist Nikolas Busse reiht sich in den immer größer werdenden Chor ein, der den Abgesang auf „den Westen“ anstimmt
Adam Winnicki

Die Welt, wie wir sie kennen, löst sich auf“: Mit diesen provokativen Worten leitet Nikolaus Busse sein aktuelles Buch „Entmachtung des Westens. Die neue Ordnung der Welt“ ein. Der promovierte Politologe und Korrespondent der FAZ in Brüssel liefert jedoch „keine wissenschaftliche Abhandlung“, sondern einen klassischen Essay: den „Versuch, die großen Entwicklungslinien der Weltpolitik zu verstehen“, wie er im Vorwort eingesteht. 

Einleitend geht Busse auf die Geschichte der Expansion Europas und die Dominanz „des weißen Mannes“ in der Welt ein, um schließlich die globale Führungsmacht, die Vereinigten Staaten, zu betrachten – die Bedeutung der Atombombe und „das Projekt Freihandel“ werden bei der Gelegenheit thematisiert –, die die Nachfolge Europas auf der Weltbühne angetreten haben und zugleich den letzten „Stoßtrupp“ des Westens bilden.

Nachfolgend geht er zu den „neuen Mächten“ über. Im Fokus seiner Betrachtungen stehen China mit seiner rasanten wirtschaftlichen Aufholjagd seit Ende der 1970er Jahre, aber auch Indien, Rußland, Brasilien, Japan und Südostasien. Er geht also über die sogenannten BRIC-Staaten mit ihren Entwicklungskapazitäten und globalen Perspektiven hinaus. Busse stützt sich auf eine Fülle von aussagekräftigen Fakten, wie beispielsweise das durchschnittliche Wachstum von 9,5 Prozent Chinas in den letzten 25 Jahren oder dessen Devisen- und Goldreserven in Höhe von zuletzt 1,5 Billionen Dollar, die „die größten der Welt“ sind. Der produktive Charakter des „Reiches der Mitte“ mit seinen 1,3 Milliarden Menschen wird ebenfalls unterstrichen. Dabei konkretisiert er das Gesicht der chinesischen Produktionswelt und konfrontiert den Leser mit aufstrebenden Firmennamen wie Haier, Huawei oder Lenovo. Man kann doch schon heute annehmen, daß sie in der Welt von morgen wegweisend sein werden.

Im Falle Indiens erkennt der Autor den wirtschaftlichen Schwerpunkt eher im Dienstleistungssektor. In der IT-Branche wird Indien zunehmend konkurrenzlos, galt bereits im Jahr 2007 als „globaler Klassenprimus“ (Infosys, Wipro und Tata Consultancy Services heißen die wegweisenden Streber der indischen Informationsbranche). Rußlands Rolle sieht Busse dagegen skeptischer: „Wohin treibt dieser eurasische Koloß, der dem Westen wieder die Stirn bietet?“ Nicht nur die wirtschaftlich-politische Macht der russischen Rohstoffe – vor allem Gas und Öl –, sondern auch das Aufkaufen westlicher Unternehmen wird besonders berücksichtigt.

Busse leitet geschickt zur eigentlichen Leitthese über, der „Erosion der westlichen Herrschaft“, die die zunehmende Verlagerung des globalen Machtgewichtes vom Westen in den Osten der Welt augenfällig macht. Das atomare „Monopol des Westens“ ist schon lange gebrochen, und sei es durch eine selbstverschuldete Proliferation von Atomwaffen. Busse weist darüber hinaus auf den offensiven Charakter der chinesischen Aufrüstung ihrer derzeit 2,3 Millionen Soldaten hin, wozu auch U-Boote, Lenkwaffenzerstörer, Fregatten und Landungsboote gehören, Flugzeugträger seien ebenfalls geplant. Er folgert daraus „Vorbereitungen für Kriege fernab der eigenen Heimat“, was besonders im zukünftigen „Wettlauf um Rohstoffe und Märkte“ entscheidend werden könnte.

Eine Bestandsaufnahme über die „Revision globaler Werte“ durch die aufsteigenden Mächte und schließlich das Plädoyer für die „Verteidigung des Westens“ runden Busses Ausführungen in der informativen, wenn auch an manchen Stellen politisch angreifbaren Streitschrift ab.

Nikolas Busse: Entmachtung des Westens. Die neue Ordnung der Welt. Propyläen Verlag, Berlin 2009, gebunden, 304 Seiten, 22,90 Euro

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