© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/09 02. Oktober 2009

DVD: John Rabe
Tabubruch
Martin Lichtmesz

Die mit dem diesjährigen Deutschen Filmpreis als Bester Spielfilm ausgezeichnete Produktion „John Rabe“ unter der Regie des Münchner Regisseurs Florian Gallenberger kann man am Rande der semi-„revisionistischen“ Geschichtsfilmwelle der letzten Jahre zurechnen. Am Rande deswegen, weil im Gegensatz zu „Die Flucht“ (JF 10/07), „Die Gustloff“ (JF 10/08) und „Anonyma – Eine Frau in Berlin“ (JF 44/08) der historische Schauplatz nicht im Zweiten Weltkrieg, sondern im 1937 eröffneten Chinesisch-Japanischen Krieg angesiedelt ist. Dennoch wartet der Film mit einem kleineren Tabubruch auf: dem „guten Nazi“.

Rabe war ein Hamburger Geschäftsmann, der seit 1911 in China für eine Niederlassung von Siemens arbeitete (JF 52/08–1/09). Während der Besetzung von Nanking im Dezember 1937 gehörte er zu den führenden Köpfen eines Internationalen Komitees, das eine Schutzzone inmitten der Stadt errichtete, in der Tausende Flüchtlinge Unterschlupf vor den Ausschreitungen des japanischen Militärs fanden. Die unvorstellbaren Greueltaten, die in Nanking verübt wurden, sollen über 300.000 Menschenleben gekostet haben. Rabe, Mitglied der NSDAP und überzeugter Hitler-Anhänger, nutzte seinen Status als deutscher Staatsangehöriger, um mit den verbündeten Japanern zu verhandeln. Ehe er im Februar 1938 von Siemens abberufen wurde, konnte er schätzungsweise 200.000 Menschen vor dem Tod bewahren.

Nachdem der „Schindler von China“ hierzulande bisher kaum bekannt war, hat ihm Regisseur und Drehbuchautor Gallenberger ein wahres Heldendenkmal gesetzt. Im – manchmal etwas zu dick aufgetragenen – Hollywood-Stil zelebriert „John Rabe“ bewegend die humanitäre Tat seines Titelhelden und seiner Verbündeten. Rabes NSDAP-Mitgliedschaft wird dabei als eher dem Zeitgeist geschuldet dargestellt.

Die Titelfigur wird von dem großartigen Ulrich Tukur überzeugend verkörpert, weitere Glanzleistungen erbringen Daniel Brühl als deutscher Diplomat jüdischer Abstammung und Independent-Ikone Steve Buscemi als Dr. Wilson. „John Rabe“ ist bisher der bei weitem beste Film der Geschichtsserie, wohl auch weil hier die Fesseln der Political Correctness nicht so stark waren.

Die ab 2. Oktober im Handel erhältliche DVD bietet eine deutsch synchronisierte und eine mischsprachige Tonfassung (Deutsch, Japanisch, Chinesisch und Englisch) an, wobei letztere aufgrund der größeren Authentizität unbedingt vorzuziehen ist.

DVD: John Rabe, Majestic, Berlin 2009, Laufzeit: etwa 130 Minuten

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen