© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/09 02. Oktober 2009

Frisch gepresst

 Christen und die Wende.  Als die 111 Kardinäle der Konklave Karol Wojtyła am 16. Oktober 1978 zum Papst wählten, leiteten sie – wahrscheinlich, ohne es zu ahnen – den Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs 1989/90 ein. Immerhin stärkte Johannes Paul II. mit seiner offenen Parteinahme für die antikommunistische Gewerkschaft Solidarność die erste Oppositionsbewegung in Osteuropa und zerstörte damit endgültig den selbsterklärten Nimbus der Kommunisten, Stimme und Vertreter des Volkes zu sein. Auch ohne die nachträgliche Würdigung ebendieses Faktums in den Memoiren des letzten Generalsekretärs des KPdSU, Michail Gorbatschow, gilt diese Feststellung als historischer Allgemeinplatz.  Das Buch des ZDF-Journalisten Joachim Jauer über den Anteil der Christen am Zusammenbruch des Kommunismus leistet denn auch mehr als ein Erinnern an diese Kausalkette Papst–Polen–Mauerfall. Gestützt auf seine Einblicke als damaliger Osteuropakorrespondent beschreibt Sauer anhand kleinerer Begebenheiten, welche  maßgebliche Rolle der christliche „Sand im Getriebe“ der Regime spielte. Auch wenn es anscheinend nur Oberflächlichkeiten waren, wie beispielsweise das verbotene Singen der Hymne mit der Textzeile „Gott segne den Ungarn!“, diente gerade die Berufung auf das Christentum als probatester Hebel der Subversivität (Urbi et Gorbi. Christen als Wegbereiter der Wende. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2009, gebunden, 344 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro).

 

Ostpreußen. Als Hans Hellmut Kirst 1968 sein Buch „Deutschland deine Ostpreußen“ herausbrachte, waren Mundart, Geschichte, Küche und manch andere landsmannschaftliche Eigenart der zwischen Weichsel und Memel beheimateten Menschen in weiten Teilen Deutschlands auch vielen Nichtostpreußen vertraut und allgegenwärtig, lebten unter ihnen doch knapp drei Millionen Landsleute aus diesem Teil Ostdeutschlands, die durch Flucht und Vertreibung im Westen eine neue Heimat finden mußten. Dazu gehörte eben auch der 1914 in Osterode geborene Schriftsteller, der mit seinen Romanen „08/15“, „Fabrik der Offiziere“ oder „Nacht der Generale“ zu den größen Bestsellerautoren der Nachkriegszeit zählte. Die jetzt erschienene Neuausgabe des ebenso launigen wie tiefsinnigen Porträts über „den“ Ostpreußen in seinem ursprünglichen Lebensraum kann nicht mehr an diese Lebenswirklichkeit anknüpfen, haben sich diese Ostdeutschen in der Gesellschaft der Bundesrepublik doch fast spurlos amortisiert. Kirsts Beschreibungen erscheinen heute somit eher wie ein Nachruf auf einen lange Verstorbenen (Deutschland deine Ostpreußen. Ein Buch voller Vorurteile. Lindenbaum Verlag, Schnellbach 2009, gebunden, 160 Seiten, 16,80 Euro).

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