© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/09 09. Oktober 2009

Auswanderer kommen den Staat teuer zu stehen
Demographie: Eine Studie des Ifo-Institus hat die Kosten untersucht, die Menschen verursachen, die Deutschland endgültig den Rücken kehren
Tobias Westphal

Wir benötigen mehr Fachkräfte“, hört man seit Jahren – vor allem von der Industrie und dem Handwerk– immer wieder. Um so interessanter ist deshalb die Klärung der Frage, ob und wie viele Fachkräfte Deutschland verlassen.

Eine neue Studie des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung gibt Auskunft: Insgesamt verlassen Deutschland pro Jahr circa 0,8 Prozent der Bevölkerung, das sind etwa 650.000 Personen. Laut der Untersuchung kostet das den deutschen Staat viel Geld; denn der Verlust von Fachkräften belastet die Staatskassen. Beispielhaft haben die Wirtschaftswissenschaftler des Ifo-Instituts errechnet, daß der Staat insgesamt mehr als eine Million Euro verliert, sollte sich eine 30 Jahre alte Ärztin für eine Anstellung im Ausland entscheiden. Ein Metall-Facharbeiter, der sein Glück und seine Karriere im Ausland sucht, belastet den Staat mit 281.000 Euro. Für die Berechnung addieren die Ökonomen entgangene Einnahmen aus Steuern und Sozialabgaben und beispielsweise die Kosten für die Ausbildung. Daher wird auch das Fazit gezogen, daß es sehr wichtig sei, die Abwanderung von Fachkräften zu verhindern, und der Staat mit seinem Steuer- und Abgabensystem Anreize zum Hierbleiben schaffen müsse.

In einem Aufsatz des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin in Zusammenarbeit mit Infratest Sozialforschung wird der Frage nachgegangen, wie sich die Auswanderer zusammensetzen. In der Studie unterscheidet die Wissenschaftler zwischen „autochthonen“ Deutschen (in Deutschland geboren und deutsche Staatsangehörigkeit) und „Migranten“ (nicht in Deutschland geboren oder nicht im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit). Zwischen beiden Gruppen gebe  es bei der Auswanderung deutliche Unterschiede. So sei es vor allem bei deutschen Frauen wahrscheinlicher, daß sie auswandern. In der Gruppe der Migranten ist hingegen der umgekehrte Effekt zu erkennen: Hier wandern eher Männer als Frauen aus.

Auch hinsichtlich des Alters ist ein Unterschied zu erkennen. In der deutschen Bevölkerung wandern eher jüngere Personen – bis 35 Jahre – aus, bei den Migranten sind es vor allem Personen im Alter zwischen 56 und 70 Jahren. Interessant für die deutsche Wirtschaft wird vor allem die Erkenntnis sein, daß alleinlebende Deutsche und Akademiker häufiger auswandern. Hingegen wandern bei den Migranten nicht nur Akademiker ab, sondern auch „Geringqualifizierte ohne Berufsabschluß verlassen Deutschland häufiger als die Vergleichsgruppe der Menschen mit dualer Berufsausbildung und ähnlichen Qualifikationen“. So sind es gerade Ausländer, die nicht oder nicht mehr im Arbeitsmarkt integriert sind. Das bedeutet – unter Berücksichtigung des höheren Durchschnittsalters –, daß Migranten dann auswandern, wenn sie in den Ruhestand kommen. Auf der anderen Seite zeigt die Studie jedoch auch auf, daß sich die Wahrscheinlichkeit, das Land zu verlassen, verringert, je länger Ausländer bereits in Deutschland leben.

Die Untersuchung kommt noch zu einem weiteren interessanten Ergebnis: In dem betrachteten Zeitraum von 1984 bis 2005 läßt sich feststellen, daß Migranten tatsächlich vermehrt auswandern, für die Deutschen läßt sich jedoch keine Zunahme der Auswanderung erkennen.

Gleichzeitig wird auch festgestellt, daß weder bei Deutschen noch bei  Migranten eine mangelnde Lebenszufriedenheit oder Lebenszuversicht eine wesentliche Rolle für die Entscheidung zur Auswanderung spielt. Vor allem berufliche und familiäre Gründe seien ausschlaggebend für eine Auswanderung.

Ein Großteil der Auswanderer fühlt sich in ihrer neuen Heimat zufriedener und gesünder – jedoch haben circa ein Sechstel der Menschen, die Deutschland verlassen, Probleme mit ihrer neuen Lebenssituation. Ein Sechstel aller Auswanderer zieht es zurück nach Deutschland.

Wer unbedingt ins Ausland möchte, dem sei Norwegen empfohlen. Denn laut einer Studie der Vereinten Nationen liegt das Land bei der Lebensqualität an der Spitze. Abzuraten ist von Sierra Leone, Afghanistan, Niger und der Demokratischen Republik Kongo.

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