© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/09 16. Oktober 2009

Traumhafte Schützenhilfe
Jamaika-Koalition: Oskar Lafontaines Rückkehr an die Saar liefert den Grünen die besten Argumente für ein Bündnis mit Union und FDP
Hans Christians

Am Ende fiel das Ergebnis deutlich aus – viel deutlicher, als es der saarländische Grünen-Vorsitzende Hubert Ulrich noch vor Tagen zu träumen gewagt hatte. 117 von 151 Delegierten folgten am vergangenen Sonntag in der Kreisstadt Saarlouis der Empfehlung des Parteivorstands, in Koalitionsverhandlungen mit der CDU von Ministerpräsident Peter Müller sowie der FDP einzutreten.

Daß die Grünen die Rolle als Königsmacher ausüben würden, war seit dem Wahlabend des 30. August klar. Weder ein schwarz-gelbes noch ein rot-rotes Bündnis erhielt damals eine erforderliche Mehrheit. So konnte der eloquente und bisweilen hemdsärmelig auftretende Ulrich während insgesamt zehn Sondierungsrunden den Preis für eine Dreier-Koalition in die Höhe treiben. Es zeigte sich allerdings sehr schnell, daß die inhaltlichen Fragen zunehmend von personellen Querelen überdeckt wurden.

Die durch Verluste von nahezu 14 Prozent arg geschwächte CDU war gezwungen, jede Menge politisches Tafelsilber zu verscherbeln, um ihren Frontmann Müller an der Macht halten zu können. Der Ministerpräsident, der sich jahrelang beispielsweise energisch für längere Laufzeiten von Atomkraftwerken ausgesprochen hatte, redete nun plötzlich den Ausstiegs-Befürwortern das Wort. „Daß sich Müller derart bewegt, hätte ich nicht für möglich gehalten“, raunte daraufhin der Grünen-Chef im Saar-Pfalz-Kreis, Markus Schmitt. Auch die Abschaffung von Studiengebühren, die die Union während der vergangenen Legislaturperiode entgegen vielen Protesten durchgepeitscht hatte, war schnell beschlossene Sache.

Selbst vor einer Modifizierung des Schulsystems und einer damit verbundenen notwendigen Verfassungsänderung schreckte die CDU in der vergangenen Woche nicht mehr zurück. Und in Fragen von Bürgerrechten und Datenschutz trieben Ulrich und der liberale Wortführer Christoph Hartmann den schwächelnden Ministerpräsidenten Seit an Seit vor sich her.

Es steht außer Frage, daß Ulrich, der neben diesen weitreichenden inhaltlichen Zugeständnissen auch noch die Ministerien Umwelt und Bildung für seine Partei einheimsen konnte, all jene Resultate auch mit SPD und Linkspartei hätte erzielen können. Letztere wäre im Kampf um die Macht an der Saar sogar bereit gewesen, ihre „Heilige Kuh“ Bergbau zu opfern, was Parteichef Oskar Lafontaine noch in der Woche vor der Wahl als „Verbrechen am Saarland“ gegeißelt hatte. Doch ebendieser ehemalige Ministerpräsident hat nun erneut dafür gesorgt, daß seine frühere Partei abermals für fünf Jahre auf den harten Bänken der Saarbrücker Oppositionsreihen Platz nehmen muß.

Mit seiner Ankündigung, nicht wieder für den Vorsitz der Linken-Bundestagsfraktion zu kandidieren und statt dessen dauerhaft die Führung der saarländischen Abgeordneten zu übernehmen, hat der 66jährige den Bogen überspannt. Es war kein großes Geheimnis, daß Lafontaine und Ulrich eine langjährige Nicht-Beziehung gepflegt hatten. Doch um der Macht willen, so schien es, wollten sich beide Politiker zusammenraufen. Sowohl Ulrich als auch der SPD-Landeschef Heiko Maas lobten die auffallend staatsmännische Attitüde, mit der der Linken-Chef während der Sondierungsrunden aufgetreten sei. „Inhaltlich“, so äußerte der Oppositionsführer, „muß sich da niemand großartig bewegen, wir sind eh schon eng beieinander.“ Nur eben menschlich nicht. Denn während all der stundenlangen Sitzungen hat es Lafontaine vermieden, auch nur andeutungsweise eine dauerhafte Präsenz im Saarland in Erwägung zu ziehen. Zwar versuchte SPD-Generalsekretär Reinhold Jost, die Entscheidung des versierten Populisten noch als „Beleg für sein Bemühen um stabile Verhältnisse“ zu verkaufen, doch für die Grünen war dieser Schachzug schlicht des Guten zuviel: „Ich kann diesen Menschen nicht vertrauen, also kann ich auch nicht mit ihnen zusammenarbeiten“, sagte Ulrich während seiner Parteitagsrede.

Die vereinzelten Einwände von Delegierten, man dürfe sich nicht auf die Rolle der „Oskar-Verhinderungs-Partei“ beschränken, störten den Chef nicht. „Die Vorstellung, daß Lafontaine den Schatten-Ministerpräsidenten spielt, ist unerträglich.“

Foto: Grünen-Chef Hubert Ulrich

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