© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/09 16. Oktober 2009

„Es gibt nicht nur Extremismus von rechts“
Interview: Im schwäbischen Waiblingen wagt ein CDU-Ortsverein den Aufstand und kritisiert eine einseitige Kulturwoche gegen Rechtsextremismus
Moritz Schwarz

Frau Gruber, sind wir auf dem linken Auge blind?

Gruber: Mit dieser Frage überschreibt zumindest die Stuttgarter Regionalpresse ihre Berichterstattung über unseren Protest. Der Tonfall der Beiträge ist dann allerdings überhaupt nicht nachdenklich, sondern ernüchternd tendenziös. 

Worum geht es Ihnen wirklich?

Gruber: Wir kritisieren die laufende   Jugendkulturwoche „Bunt statt Braun 2009“, weil sich die Veranstaltung – in einem städtischen Kulturhaus – nur gegen Extremismus von rechts, nicht auch gegen den von links wendet.

So etwas stört die CDU in der Regel wenig, warum Sie?

Gruber: Ich kann nicht für die CDU an sich sprechen, aber ich sehe in unserer Gesellschaft zuwenig Bewußtsein für die Gefahren des Linksextremismus.

Haben Sie denn bei sich im schwäbischen Waiblingen ein linksextremes Problem?

Gruber: Zweifellos ist der Linksextremismus in Städten wie Hamburg oder Berlin drängender als bei uns. Aber uns geht es nicht nur um Gewalt, sondern auch um die Verbreitung linksextremen Gedankengutes. Und da sehe ich, gerade nach den Erfolgen der Partei Die Linke, eine erhebliche Gefahr.

Inwiefern?

Gruber: Wir haben uns, auch in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Verfassungsschutz, bereits mit diesem Thema beschäftigt und ich kann Ihnen sagen, daß die Gefahr des Linksextremismus größer ist als gedacht. Sein Ausmaß wird meist völlig unterschätzt.

Konkret?

Gruber: Das gilt zwar nicht für die Gewaltdelikte, aber zum Beispiel übersteigt die Zahl der Linksextremisten mit 31.200, Tendenz steigend, inzwischen die der Rechtsextremisten mit 30.000, Tendenz fallend, wie der Bundesverfassungsschutzbericht 2008 verrät. Für Baden-Württemberg gelten entsprechende Zahlen. Übrigens, ein bezeichnendes Detail am Rande: 2006 wurde „Bunt statt braun“ auch von der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt, also von der Parteistiftung der Linken!  Da bekommt die ganze Sache doch gleich ein zusätzliches „Geschmäckle“.

Die Zahlen mögen Ihnen recht geben, aber kommen Sie sich mit Ihrer konsequenten Schlußfolgerung in der CDU nicht inzwischen sehr einsam vor?

Gruber: In der CDU Waiblingen gibt es keine Kritik an unserem Kurs, im Gegenteil. Mancher sagt, das rege ihn auch schon immer auf, aber man traue sich ja inzwischen nicht mehr, so etwas anzusprechen. Ich habe außerdem zu 99 Prozent zustimmende E-Mails bekommen, und bei einer Internet-Umfrage auf der Jugendseite der Waiblinger Kreiszeitung unterstützten unsere Position achtzig Prozent der abstimmenden Bürger, nur 14 Prozent waren dagegen.

Sonst hat die CDU nicht den Mut, dem Willen der Bürger zu entsprechen.

Gruber: Ich finde das eigentlich nicht mutig, sondern normal. Mein Vater saß wegen Widerstands unter den Nazis im Gefängnis, das finde ich mutig! Wenn unser Verhalten schon mutig ist, dann wäre das ein alarmierendes Zeichen.

Fast in jeder Gemeinde finden solche Veranstaltungen statt. Sie dürften einer unter Zigtausenden CDU-Ortsvereinen sein, der das nicht hinnimmt.

Gruber: Die CDU ist unter Frau Merkel leider spürbar „in die Mitte“ gerückt. Nach den Gesprächen, die ich mit den Bürgern im Wahlkampf geführt habe, fehlt vielen das konservative Element  bzw. Sie können auch sagen, das rechte Element, denn wo es Links gibt, muß es auch Rechts geben.

Warum verhält sich die Kanzlerin so?

Gruber: Mein Eindruck ist, daß Merkels Kurs vor allem den Medien geschuldet ist. Darüber wächst die Distanz zum Bürger. Vor allem beim Schmusekurs gegenüber dem Islam sehe ich eine erhebliche Diskrepanz zwischen Medien und Politik einerseits und den Bürgern andererseits. Wir scheinen ja fast schon vergessen zu haben: Das Bundestagswahlergebnis war das zweitschlechteste in der Geschichte der CDU!

Nun planen Sie eine Gegenveranstaltung.

Gruber: Wir möchten nicht nur kritisieren, sondern auch zeigen, wie man ohne Schlagseite aktiv werden kann. Die Veranstaltung soll „Links- und Rechtsextremismus, Gefahren für unsere Demokratie“ heißen. Ich hoffe, damit die Diskussion zu versachlichen. Außerdem wollen wir uns damit auch gegen die Tendenz in den Medien wehren, von diesen in die „rechte Ecke“ gestellt zu werden, sobald man sich gegen Linksextremismus wendet.   Moritz Schwarz

 

Susanne Gruber, 52, ist Geschäftsführerin eines Unternehmens und CDU-Vorsitzende in der 52.000-Einwohner-Gemeinde Waiblingen bei Stuttgart. Weiter Informationen unter www.cdu-waiblingen.de

 

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