© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/09 23. Oktober 2009

Schritt für Schritt über dünnes Eis
Koalitionsverhandlungen: Nach dem schlechten Abschneiden der CSU bei der Bundestagswahl kämpft Parteichef Horst Seehofer um seine Macht
Tobias Westphal

Der erste Schritt ist die Koalition, der zweite Schritt die Analyse, der dritte Schritt unsere normale Arbeit.“ So sieht der Schlachtplan von CSU-Chef Horst Seehofer aus, mit dem er versucht, die Schlappe seiner Partei bei der Bundestagswahl zu bewältigen. Es sei „doch völlig normal“, daß es Diskussionen gebe, wenn das gewünschte Wahlziel nicht erreicht wurde, versucht er der Kritik an seiner Person die Spitze zu nehmen. Und auch Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg spielte das Murren der Parteibasis herunter: In der CSU rumore es „weniger, als darüber geschrieben wird“.

Dabei hat das Fußvolk der einstigen bayerischen Staatspartei allen Grund zum Murren. Die CSU hat am 27. September mit 42,5 Prozent der Zweitstimmen ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl seit 1949 eingefahren. Gegenüber dem schlechten Abschneiden bei der Landtagswahl vor knapp einem Jahr hat die CSU noch einmal Stimmen verloren. Nicht nur die Parteibasis, sondern auch der frühere CSU-Chef Erwin Huber bezeichnete das Abschneiden seiner Partei deswegen als „Desaster“. Er bemängelt, daß ein „Kleinkrieg gegen die FDP“ geführt wurde, anstatt Wahlkampf gegen die Sozialdemokraten und die Linke zu machen. Damit kritisiert Huber auch den bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer, denn dieser hatte die Auseinandersetzung gegen die Liberalen begonnen und damit das Gegenteil erreicht. Die FDP konnte in Bayern ihre Stimmen gegenüber der Landtagswahl fast verdoppeln.

Trotz dieser Pleite hat es Seehofer im Prinzip selbst in der Hand, wie es mit ihm als Ministerpräsident weitergeht: Er muß in den Koalitionsrunden nur soviel erreichen wie möglich. Immerhin hat er viel versprochen: Bis zum Jahr 2012 soll eine Steuerreform auf den Weg gebracht werden, es werde Hilfen für die bayerischen Milchbauern geben, das Hotel- und Gaststätten-Gewerbe kann auf einen halben Mehrwertsteuersatz für seine Betriebe hoffen.

Bei diesen Wahlkampfversprechen kommt es Seehofer ungelegen, daß manch wichtige Entscheidung nur zwischen Merkel und Westerwelle besprochen wird. Und es kommt auch ungelegen, daß Bundestagsabgeordnete der CSU, allen voran Max Straubinger, die Zusammensetzung der neunköpfigen Verhandlungsgruppe in Berlin bemängeln. Seehofer jedoch wischt dies beiseite und bekräftigt, daß er nicht amtsmüde sei. Vielleicht, sagt er mit Blick auf seine Kritiker, sei er noch länger im Amt als mancher von denen. Er könne mit Kritik an seiner Person umgehen: „kenne ich seit 30 Jahren“, das gehöre fast zu seiner politischen Biographie.

„Da sagt der Alois Glück was, da sagt der Theo Waigel was, da sagt der Erwin Huber was, da sagt der Max Straubinger was, und wenn das fertig ist, fängt der Alois Glück wieder an.“ Alois Glück, Chef der CSU-Grundsatzkommission, hatte Seehofer kritisiert, nachdem bekanntgeworden war, daß die CSU in einer Umfrage in puncto Glaubwürdigkeit sogar hinter der Linkspartei rangiert. Glück sagte mahnend: „Wenn uns die Leute nicht mehr glauben, dann können wir uns einfallen lassen, was wir wollen. Dann hilft das nichts.“ Wenn Seehofer beweisen wolle, wie glaubwürdig er ist, müsse er zurücktreten.

Das hat ihm auch der CSU-Ortsvorsitzende Kurt Taubmann aus dem mittelfränkischen Wieseth nahegelegt. Denn Seehofer soll auf einer CSU-Konferenz im Jahr 2008 in Erlangen seinen Rücktritt für den Fall versprochen haben, daß er ein schlechteres Ergebnis einfahren sollte als Günther Beckstein bei der Landtagswahl. Dies ist geschehen, und deswegen könne Seehofer nicht zur Tagesordnung übergehen, als sei nichts gewesen.

Doch daß es auf dem für Montag geplanten kleinen Parteitag, der die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen absegnen soll, zum Aufstand gegen Seehofer kommt, gilt dennoch als unwahrscheinlich. Auch wenn über eine Zeit ohne Seehofer diskutiert wird: Viele schrecken vor dem Königsmord zurück, wenn sie sich den bayerischen Umweltminister Markus Söder als Ministerpräsident oder Parteichef vorstellen. Und der Hoffnungsträger zu Guttenberg gilt als zu jung, um schon jetzt den Gipfel zu erklimmen.

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