© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/09 23. Oktober 2009

Asterix: Beim Teutates! Der kleine Gallier wird 50 Jahre alt
Vietcong in der Bretagne
Karlheinz Weissmann

Wer in den fünfziger oder sechziger Jahren groß geworden ist, dürfte sich noch an die Einheitsfront aller Erziehenden erinnern, die Comics zu „Schmutz und Schund“ erklärte. Bilderhefte haben wir aber trotzdem gekauft. Nur welche? Es gab klassische Wildwest- und Abenteuererzählungen, Adaptionen der Weltliteratur und alle möglichen komischen Figuren, die die Seiten bevölkerten. Neben den heimischen Produkten – Ritter Sigurd oder Fix und Foxi – war auch auf diesem Gebiet eine Amerikanisierung zu verzeichnen. Micky Maus hat man in Deutschland schon vor dem Zweiten Weltkrieg gekannt, und in deren Gefolge tauchten immer neue Gestalten auf, die den deutschen Markt eroberten. Neben diesem US-Import spielte nur ein anderer eine Rolle: der aus Frankreich, woher Rennfahrer Michel Vaillant und Asterix kamen.

Und beim Teutates! Der von Albert Uderzo (Zeichnungen) und René Goscinny (Texte) in Leben gerufene tapfere Gallier feiert zusammen mit Kumpan Obelix am 29. Oktober den 50. Geburtstag. Meine erste Begegnung mit den Galliern verlief etwas unglücklich, da die Geschichten anfangs in einem Magazin – MV-Comics – abgedruckt waren, das verschiedene Erzählungen brachte und alle in kleine Folgen auflöste, was dazu animieren sollte, die nächste Nummer auch zu kaufen, eine Frustration, der ich mich auf Dauer nicht aussetzen wollte. Außerdem gab es vor ‘68 kein Milieu, in dem man zur Lektüre von „Asterix“ angeleitet wurde.

Schwankungen in der Qualität der verschiedenen Alben

Tatsächlich ist der Erfolg der Reihe außerhalb Frankreichs wesentlich auf die Identifikation der linken Szene mit dem Widerstand des gallischen Dorfs gegen die römischen Eroberer zurückzuführen. Der Schriftsteller Richard Precht hat unlängst launig geschildert, daß in seinem kommunistischen Elternhaus „Asterix“ als einziger Comic erlaubt war, da die Geschichten als antiimperialistische Handlungsanleitung gelesen wurden, ein Vietcong in der Bretagne des Jahres 50 vor Christus als Muster für die Gegenwart; umgekehrt gab es viele Bürgerliche, die wegen eines solchen (vermeintlichen) Subtexts Asterix grundsätzlich ablehnten.

Von solchen Verkrampfungen spürt man heute kaum noch etwas. Eher streitet die Fangemeinde über die Inhalte der „Asterix“-Folgen, die nach dem frühen Tod Goscinnys (1977) dessen Wortwitz vermissen lassen. Nichtsdestotrotz ist „Asterix“ etabliert: ein Trivialepos, das Vorstellungswelt und Sprache der Gegenwart mitbestimmt hat, trotz schwankender Qualität der Alben – „Asterix und der Arvernerschild“ (Band 11; 1972) ist kaum mit Band 32 („Asterix plaudert aus der Schule“; 2003) zu vergleichen – und zweifelhafter Güte der filmischen Adaptionen. In manchen Akademikerelternhäusern kauft man für die Sprößlinge schon Zweithefte, um die wertvollen Erstausgaben zu schützen.

Der Erfolg von „Asterix“ kam zustande, obwohl seine Macher immer zuerst das französische (und belgische) Publikum im Blick hatten, die Anspielungen und Anachronismen praktisch unübersetzbar bleiben. In Deutschland hat das nie gestört. Hier wurde mehr als ein Drittel der weltweit 310 Millionen „Asterix“-Alben abgesetzt, und es ist kaum übertrieben, wenn man die Geschichten von Asterix, Obelix und den anderen Bewohnern des kleinen gallischen Dorfs als dritte französische Kulturwelle bezeichnet, die seit 1945 zu uns herüberschwappte, nach Existentialismus und Neo-Marxismus. Und wer wollte zögern, diese letzte besonders wohlwollend zu beurteilen?

Für den konservativen Skeptiker noch dieser Zusatz: Der Bildungswert von Asterix ist schon deshalb über jeden Zweifel erhaben, weil sich die Darstellung eignet, Georges Dumézils Theorie der dreigliedrigen indogermanischen Gesellschaft zu illustrieren: Die eigentliche Autorität übt der Druide Miraculix (Erster Stand) aus. Die Führer und Krieger, also Majestix samt Asterix, Obelix und all den anderen (Zweiter Stand), sind wohlberaten, auf seine Empfehlungen zu hören. Die Masse der Bauern (Dritter Stand) hat zwar eine Stimme in der Dorfversammlung, tut aber im allgemeinen, was die Honoratioren vorschlagen. Selbst die beherrschende Stellung von Gutemiene ist nicht einfach der Phantasie von Uderzo und Goscinny entsprungen, sondern Niederschlag unserer Kenntnis über das Ansehen der keltischen Frau; eine von ihnen – die Britenkönigin Boudicca – schaffte sogar, was im Fall von Asterix nur Phantasie ist: den Römern das Leben zur Hölle zu machen. Am 22. Oktober liegt der neue „Asterix“ (Band 34) im Kiosk.

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