© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/09 06. November 2009

Frisch gepresst

Friedrich Schiller. Vor 150 Jahren war es noch umgekehrt: Da gaben die unter strenger polizeilicher Überwachung stehenden Schiller-Ehrungen zum 100. Geburtstag des Dichters eine Initialzündung zur Formierung der deutschen Einheitsbewegung, während zuvor sein 50. Todestag 1855 noch fast unbeachtet geblieben war. Heute haben Veröffentlichungen zum 200. Todestag 2005 den Rahm so weitgehend abgeschöpft, daß für den am 10. November ins Haus stehenden 250. Geburtstag nur noch Pflichtübungen außerhalb des Scheinwerferlichts zu erwarten sind. Gerade biographisch scheint kein weiterer Bedarf zu bestehen, den Regalmetern an Schiller-Viten noch etwas hinzuzufügen. Trotzdem hat Hans-Jürgen Schmelzer, ein Gymnasiallehrer des Jahrgangs 1938, der auch schon als Brahms-, Händel-, Fontane- und Hesse-Biograph auf den Plan getreten ist, sich an den Marbacher Regimentsmedicus gewagt: mit dem Versprechen, einen, wie es im Untertitel heißt, „neuen Blick auf Friedrich Schillers Leben und Werk“ zu werfen (Der verlorene Sohn des schwäbischen Herodes. Hohenheim Verlag, Stuttgart/Leipzig 2009, gebunden, 384 Seiten, 19,90). Das „Neue“ ist freilich auch mit der Lupe nicht auszumachen. Dafür gelingt dem Verfasser eine im besten Sinn volkstümliche, leicht romanhafte, das Werk, vor allem die theoretischen Schriften allerdings ein wenig stiefmütterlich behandelnde Darstellung unseres Nationaldichters.

 

Farbiges Deutschland. Die Post hat es 2000 vorgemacht. Sie beschränkte ihren Sondermarkensatz über frühneuzeitliche Bauernhäuser auf das Territorium zwischen Rhein und Oder, obwohl sich um 1700 bedeutende niederdeutsche Hauslandschaften von Hinterpommern bis ins östliche Ostpreußen erstreckten. 2008 erschien im Berliner Ch. Links Verlag ein Führer durch Erinnerungsorte unter dem Titel „Die deutsche Ostseeküste 1933 bis 1945“. Das Büchlein endet jäh auf Usedom, als hätte die Küste zwischen Misdroy und Memel in dieser Zeit nicht zu Deutschland gehört. Diese Beispiele politisch überkorrekter Geschichts-entsorgung greifen immer weiter um sich. Sie ist auch der Maßstab für den von Peter Walther edierten großformatigen und preiswerten Band „Deutschland in frühen Farbfotografien“ (Komet Verlag, Köln 2009, gebunden, 224 Seiten, 380 Abbildungen, 14,95 Euro). Blickt man auf die Datierung der Fotos, kann im Titel eigentlich nur das Deutschland zwischen 1920 und 1940 gemeint sein. Tatsächlich berücksichtigt Walter, peinlich anachronistisch die Reichsgrenzen beschneidend, allein das bundesrepublikanische Restdeutschland. Sehr kümmerlich vertreten sind darin überdies die Regionen von Thüringen über Mecklenburg bis Schleswig-Holstein, das sich bei Walther auf Lübeck reduziert. Immerhin: Wenigstens eine der deutschen Ostprovinzen hat der Herausgeber mit einer separaten Veröffentlichung bedacht (Schlesien in frühen Farbfotografien. Komet Verlag, Köln 2009, gebunden, 144 Seiten, 122 Aufnahmen, 6,95 Euro).

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