© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/09 06. November 2009

Mit „Reaganomics“ in den Schuldenstaat
Vor 25 Jahren wurde US-Präsident Ronald Reagan aufgrund seiner kurzfristigen Erfolge in der Wirtschaftspolitik im Amt bestätigt
Sverre Schacht

Neues Selbstvertrauen nach ersten Zeichen einer Erholung – so läßt sich die aktuelle wirtschaftliche Situation optimistisch umschreiben. Die Ausgangslage für die schwarz-gelbe Koalition im heutigen Deutschland ähnelt derjenigen zu Beginn der zweiten Amtszeit des US-Präsidenten Ronald Reagan 1984. Die Wiederwahl des einstigen Hollywood-Schauspielers ins Weiße Haus nach erfolgreicher erster Amtszeit (ab 1981) jährt sich im Herbst zum 25. Mal. Das Jubiläum bietet Gelegenheit für Rück- und Ausblicke auf das, was vom Nimbus des Kalten Kriegers und selbsternannten wirtschaftlichen Erneuerers bleibt. Das Erbe des 40. US-Präsidenten erscheint angesichts heutiger Probleme aktueller denn je: Eine galoppierende Staatsverschuldung, umfangreiche kreditfinanzierte Wirtschaftsprogramme und Bankenschwierigkeiten setzen deutscher Politik ähnliche Aufgaben wie damals der amerikanischen.

Ronald Reagan (1911–2004) ist noch immer ein Präsident, der polarisiert. Er startete aus ärmlichen Verhältnissen, machte als Künstler und politisch liberaler Schauspieler Karriere, um später zur entscheidenden Leitfigur des konservativen Amerika zu werden. Er gilt als Antikommunist, der im Ost-West-Gegensatz über den großen Antagonisten der USA, die Sowjetunion, triumphierte. Konsequent, pathetisch und stets um nationale Formeln für eigene Politik bemüht – so sieht ihn die Nachwelt. Doch der Mann aus Tampico, Illinois, brach zeitlebens aus dem Klischee des regierenden Western-Helden aus. Er setzte seine Hollywood-Erfahrung mit Augenzwinkern ein, um später Grundsätze seines politischen Handelns zu erläutern: „Als ich einmal einen Sheriff ohne Waffe spielte, war ich nach 27 Minuten tot.“ Der Einstieg in die Politik gelang ihm 1967 mit der Wahl zum Gouverneur von Kalifornien. Reagan bezog klar Position gegen die Anti-Vietnamkrieg-Protestbewegung und den seiner Auffassung nach zu laxen Umgang der Universitäten damit. Seine Rolle als „The Great Communicator“, als großer innenpolitischer Vermittler, sollte noch kommen. Schon kurz nach dieser ersten Wahl in ein politisches Amt empfahl er sich als Kandidat für die Präsidentschaft.

Mit dem Einzug ins Weiße Haus im Januar 1981 begann die „Reagan Revolution“, eine Zäsur, die vom zeitgenössischen Amerika als fundamentalster Wandel seit dem New Deal, der politischen Antwort auf die Weltwirtschaftskrise, empfunden wurde. Innen- wie wirtschaftspolitisch stützte sich Reagan auf mehrere sehr heterogene gesellschaftliche Gruppen. Sie begründeten die Reagan-Koalition: Ihm gelang es zum einen, die Unternehmer- und Finanz-Eliten mit ihren unterschiedlichen Zielen orientiert an Marktkräften und ungebremstem Wachstum sowie einer Ablehnung staatlicher Eingriffe an sich zu binden. Zum anderen sammelte er die „Neo-Konservativen“ um seine Regierungsmannschaft. Diese Gruppe Intellektueller war von den Umwälzungen der Sechziger abgestoßen, strebte die Erneuerung der Demokratie gegenüber Radikalismen (nach innen) und Kommunismus (nach außen) an und bekämpfte Multikulturalismus und politische Korrektheit.

Diese Gruppen beeinflußten seine Wirtschaftspolitik – besser bekannt als „Reaganomics“, ein innerparteilich lange umstrittener Kurs. Früh stellte Reagan die Steuerprogression auf den Prüfstand. 1984 hatten Kritiker seiner „Reaganomics“, darunter sein Nachfolger George Bush Senior, die Zeichen der Zeit allerdings gegen sich: Die USA erholten sich von der Rezession der frühen achtziger Jahre. Ein erdrutschartiger Sieg Reagans folgte. Reagan hatte den Bundeshaushalt drastisch beschnitten, sah nach der Rezession von 1982 wieder sinkender Arbeitslosigkeit (von 11 Prozent 1982 auf 8,5 im Jahr 1983) entgegen, und auch von der Börse kamen gute Nachrichten. Das änderte zuerst nichts an den hohen Staatsschulden. Die Ursachen der Erholung waren vielfältig – auf „Reaganomics“ wirkten sie jedenfalls bestätigend. Die Eckpfeiler dieses Kurses erinnern in Teilen an gegenwärtige Programme deutscher Liberaler und Christdemokraten: weniger Regierungsausgaben, weniger Steuern auf Einkommen und Kapitalgewinne.

Gerade der zweite Punkt, Steuersenkungen im Rahmen von „Supply-Side Economics“, einer angebotsorientierten Wirtschaftstheorie, gewann unter Reagan einen hohen Stellenwert. Mehr Waren, Dienstleistungen und somit Arbeitsplätze dank niedrigerer Steuern, so seine Formel für Prosperität. Wachstum als Königsweg aus der Krise – das Credo ist vornehmstes Ziel von Wirtschaftspolitik geblieben. Sein Ruf nach Entbürokratisierung ist auch der CDU ein erklärtes Anliegen. Der Vergleich zeigt Übereinstimmungen beim Verständnis politischer Schwerpunkte: Den vielleicht entscheidenden Unterschied macht die Dimension staatlicher Sozialaufwendungen im heutigen Deutschland aus, während Reagan in strukturell ähnlicher Situation als Gouverneur Kaliforniens harte Sparmaßnahmen vornahm. Ähnlich der hiesigen Koalition hatte der Präsident mit einem ausufernden Staatsdefizit zu kämpfen.

Seine Reaktion ähnelt Schwarz-Gelb: Trotz Krise, damals durch zu hohe US-Verteidigungsausgaben angefacht, wollte Reagan nicht auf Steuersenkungen verzichten. Geringere fiskalische Lasten drohten daher bereits seinerzeit zum Selbstzweck zu mutieren. Ein Nachdenken über ein beständiges Steueroptimum, bei dem Bürger relativ am geringsten belastet werden und doch der Staat seine Aufgaben ohne Defizit erfüllen kann, vermissen Kritiker dieser politischen Schule bis heute. Die USA wandelten sich vom Hauptkreditgeber der Welt zum Hauptschuldner.

Foto: US-Präsident Ronald Reagan wird am 21. Januar 1985 auf zweite Amtszeit vereidigt: Eckpfeiler schwarz-gelber Wirtschaftspolitik

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen