© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/09 06. November 2009

20 Jahre Mauerfall: Die Fernsehsender widmen dem Jubiläum breiten Raum
Der Tag und seine Helden
Curd-Torsten Weick

Noch einmal zurück nach Ost-Berlin“, erklärte der Sprecher der Heute-Sendung um 19.02 Uhr, Volker Jelaffke, nachdem er bereits über Innenminister Wolfgang Schäubles (CDU) Appell „Ausreise sorgfältig überlegen“, über die Forderung des Vizepräsidenten des Deutschen Städtetages, Herbert Schmalstieg (SPD), „Begrenzung des Flüchtlingsstroms“ und die Verabschiedung der Rentenreform 1992 berichtet hatte. Ohne mit der Wimper zu zucken, fuhr er fort: „SED-Politbüromitglied Schabowsky hat vor wenigen Minuten mitgeteilt, daß von sofort an DDR-Bürger direkt über alle Grenzübergänge zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland ausreisen dürfen.“

Unprätentiöser hätte man die Nachricht vom Mauerfall nicht vortragen können. Stunden später zeigte Moderator Hanns J. Friedrichs in den ARD-Tagesthemen mehr Emotionen und erklärte: „Im Umgang mit Superlativen ist Vorsicht geboten, sie nutzen sich leicht ab. Aber heute abend darf man einen riskieren. Dieser 9. November ist ein historischer Tag.“ Langsam, aber sicher kam die Berichterstattung ins Rollen.

Zwanzig Jahre später sind die Fernsehsender besser vorbereitet. Doch nun fällt es ihnen auf die Füße, daß die politischen Entscheidungsträger den Tag des Mauerfalls nicht zum Nationalfeiertag auserkoren haben. Dieses Jahr fällt der 9. November auf einen Montag. Nicht gerade die beste Sendezeit für eine breitgefächerte Berichterstattung. Wer hat schon am Montagvormittag Zeit, den Ökumenischen Festgottesdienst zum 20. Jahrestag des Falls der Mauer in der Berliner Gethsemanekirche (ARD, 9.30 Uhr) zu verfolgen? So ballen sich all die interessanten Sendungen zum Mauerfall zur „Prime Time“ zwischen 19.30 und 23 Uhr – nicht einfach für den Zuseher.

Doch der Schlaue baut vor, dachten sich die Programmgewaltigen und sendeten schon im Vorfeld eine Vielzahl von Dokumentationen. Sat.1 berichtete über die „Nacht, in der ein Dorf verschwand“. „Wie die Berliner Mauer wirklich fiel“, bewies das ZDF. Die ARD spickte in „Schabowskis Zettel“, das NDR-Fernsehen präsentierte eine „Deutsch-deutsche TV-Revue“. „Wo war die Mauer“, fragte der RBB, 3.sat beschäftigt sich mit DDR-Autosperren (6. November, 22.25 Uhr), das Bayerische Fernsehen blickt kabarettistisch zurück (8. November, 19.45 Uhr), und Arte überträgt das Erinnerungskonzert „20 Jahre Friedliche Revolution“ mit dem Gewandhausorchester unter Leitung von Kurt Masur aus der Leipziger Nikolaikirche (8. November, 19 Uhr).

Pulver verschossen? Mitnichten. Mit einigen Sender-Ausnahmen wird am 9. November noch einmal aus dem vollen geschöpft.

Was wurde aus den Menschen, deren Bild um die Welt ging?

Es gibt Erbauliches („Als die Mauer fiel“, ARD, 21 Uhr), Festliches („Das Fest der Freiheit – Live vom Brandenburger Tor“, ZDF, 19.25 Uhr), Heroisches („Die Nacht und ihre Helden“, RBB, 20.15 Uhr), Informatives („Was wurde aus den Menschen, deren Bild um die Welt ging?“, RTL, 22.15 Uhr), Erklärendes („Moskau, Mythen, Mauerfall – Wie der Kreml um die deutsche Einheit rang“, Phoenix, 20.30 Uhr), Bewegendes („Die Mauertoten – Wie wurden die Familien bestraft?“, MDR, 23.30 Uhr) und Satirisches („Der schwarze Kanal kehrt zurück“, ZDF, 23.50 Uhr).

Hier zeigen die Satiriker Werner Doyé und Andreas Wiemers vom ZDF-Magazin Frontal 21 ihre erste Dokumenation, mit der sie beweisen wollen, daß die Geschichte der DDR neu geschrieben werden muß: „Immer mehr Menschen fragen sich heute, ob beim Mauerfall wirklich alles so zugegangen ist, wie es in populären TV-Sendungen immer wieder behauptet wird. Wir sagen: Nein! Eine Sensation im deutschen Fernsehen! Wir erklären den bisher noch weitgehend unbekannten, wirklichen Verlauf der deutsch-deutschen Geschichte. Während alle anderen in Wiedervereinigungstaumel taumeln, zeigen wir knallhart die knallharte Wahrheit. Denn in Wahrheit war alles noch viel besser.“

Foto: Grenzöffnung Glienicker Brücke, Volker Jelaffke am 9. November 1989 um 19.02 Uhr im ZDF: „Zurück nach Ost-Berlin“

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