© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/09 06. November 2009

„Unfaßbar“
JF-Leser schildern „ihren“ 9. November 1989

Es war früher Abend, als wir damals gerade im Bonner Plenarsaal, dem Wasserwerk, den Haushalt berieten. Der Sport-Etat war an der Reihe. Der CSU-Abgeordnete Karl-Heinz Spilker sprach gerade dazu am Rednerpult, bis er einen Zettel mit der Nachricht bekam, daß die Berliner Mauer von der DDR-Regierung geöffnet worden sei. Wir waren erst ungläubig, ist das wahr oder unwahr? Die Sitzung wurde unterbrochen. Dann trommelte die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth das ganze Haus zusammen, um mit bewegter Stimme zu verkünden: Die Mauer ist offen. Ein dramatischer Moment.

Das Bewegendste in dieser Situation war, daß irgendein Abgeordneter hinter mir, zwei oder drei Reihen weiter, das Deutschlandlied anstimmte. Bis heute weiß ich nicht genau, wer es war. Ich glaube, Ernst Hinsken war mit dabei. Wir sind aufgestanden und haben gesungen, viele hatten Tränen in den Augen. Einige von den Grünen verließen den Plenarsaal.

Die Sitzung ging dann nicht mehr weiter. Aber keiner wollte heimgehen. Ich habe mit anderen Abgeordneten dann noch im Haus der Parlamentarischen Gesellschaft den Abend verbracht, wir sahen uns im Fernsehen die Bilder an. Es war schon eigenartig, so richtig konnte man es nicht glauben.

Norbert Geis, geboren 1939, ist seit 1987 CSU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Aschaffenburg

 

 

 

 

Helmut schaltete den Fernseher ein. Wir konnten kaum glauben, was wir sahen: Jubelnde Menschen lagen einander in den Armen! Überraschte Grenzsoldaten hoben Schranken hoch und ließen einen unablässigen Strom von „Trabis“ und „Wartburgs“ passieren. Aus den heruntergekurbelten Autofenstern winkten die Insassen den dicht gedrängt wartenden West-Berlinern zu und machten mit Zeige- und Mittelfinger Siegeszeichen. Dann schwenkte die Kamera hinüber zur Berliner Mauer, die seit 1961 die Stadt in zwei Hälften teilte. Junge Menschen tanzten auf der Mauerbrüstung, winkten, schrien, juchzten und halfen anderen, hinaufzuklettern. Einige bearbeiteten mit Hammer und Meißel eine Mauerplatte, bis sie sich aus der Verankerung löste und rückwärts in den Todesstreifen fiel. Uniformierte Volkspolizisten erschienen in der Öffnung und begrüßten verdutzt lächelnd die umhertanzenden und mit Händen wedelnden Mauerspechte. „Die Mauer ist gefallen!“ schrie der Nachrichtensprecher im Falsett, um den Lärm zu übertönen. „Der Osten ist frei, das Volk hat gesiegt!“

Helmut und ich hielten uns bei den Händen und ließen die Tränen ungehindert über unsere Gesichter laufen.

Inge von Groll-Dillenburger

 

 

 

 

In meiner Verzweiflung hatte ich einen Fluchtversuch an der ungarisch-jugoslawischen Grenze unternommen, der schiefging; ich kam aber glimpflich davon, da ich nicht gefaßt wurde. Später ging ich eine „Scheinehe“ mit einer Frau aus Bayern ein und durfte so doch noch nach „drüben“. Nur kurze Zeit später mußte ich – in meinem Münchener Einzimmer-Appartement sitzend – miterleben, wie im Fernsehen die Berichte vom Fall der Mauer liefen: „Wieder mal zur falschen Zeit am falschen Ort!“ dachte ich mir.

Conrad Glaesmer

 

 

 

 

Im April 1984 durften wir nach achtjährigem Kampf mit den DDR-Behörden das Land verlassen, in dem ich aufgewachsen war.

An jenem 9. November 1989 waren wir also seit fünfeinhalb Jahren Bürger der Bundesrepublik Deutschland und genossen den Feierabend. Ich führte ein Telefongespräch mit einer Jugendfreundin meiner Frau aus Karl-Marx-Stadt, die gerade zu einem Verwandtenbesuch in Köln weilte. Im Hintergrund lief der Fernseher. Während ich ihr zuhörte, wurde ich auf das Fernsehprogramm aufmerksam, das von einer Pressekonferenz mit Günter Schabowski berichtete.

An einem Ohr den Hörer, lauschte ich mit dem anderen in Richtung Fernseher, und allmählich verlagerte sich meine Aufmerksamkeit zu letzterem hin. Ich bat meine Gesprächspartnerin um eine kleine Pause, da dem Herrn Schabowski ein Zettel gereicht wurde. Dieser sprach dann jene Worte, die die Mauer zum Einsturz bringen sollten. Ich riß das Telefon hoch und rief: „Schalt’ den Fernseher ein, die Grenze ist offen!“ Damit war unser Gespräch beendet, denn alle Aufmerksamkeit galt nun dem Geschehen in Ostberlin.

Joachim Wiemann

 

 

 

 

Ich lebte in Hamburg. Am Abend des 9. November kam ich todmüde vom Sport. Ganz gegen meine Gewohnheit hörte ich nicht die 22-Uhr-Nachrichten, sondern fiel nur noch ins Bett. So verschlief ich den Auftritt Schabowskis und den anschließenden Sturm auf die Grenzübergangsstellen. Am folgenden Morgen traute ich meinen Ohren nicht, als ich gegen halb acht das Radio anstellte. Umgehend rief ich in Berlin bei meiner Mutter an. Sie faßte meine Bemerkungen als guten Scherz auf. Obwohl die 77jährige in unmittelbarer Nachbarschaft des Übergangs Prinzenstraße wohnte, hatte sie genauso tief und fest wie ich geschlafen. Keine halbe Stunde später erfolgte ihr Rückruf. Auf der Straße würden die „Trabi“-Motoren knattern und ihren Gestank verbreiten. Und der erste Besuch aus Ostberlin war eingetroffen.

So viele Stunden vor dem Fernseher wie nach dem 9. November 1989 habe ich nie mehr in meinem Leben zugebracht. Ja, wie würde es weitergehen? Ich hoffte auf ein Verhältnis zu Ostdeutschland, das in etwa dem zu Österreich entspräche – ein unabhängiger deutscher Staat, der ohne jegliches Reisehindernis aufgesucht werden könnte. Die Möglichkeit einer echten staatlichen Wiedervereinigung blieb noch außerhalb des Vorstellbaren.

Rainer Waßner

 

 

 

 

Am 9. November 1989 abends, 19 Uhr, platzte ein Kollege, der gerade vom Reichstag gekommen war, in unsere Runde von Studienleitern beim Paul-Löbe-Institut und beim Kuratorium Unteilbares Deutschland mit der sensationellen Nachricht, die Mauer sei offen.

Wir dachten erst, er mache Witze. Da er aber auf seine aktuelle Nachricht bestand, in den Nachrichtensendungen hörten wir es inzwischen pausenlos, wurden wir neugieriger. So erfuhren wir, daß bereits Hunderte von jungen Leuten auf der Mauer am Brandenburger Tor saßen und die ersten „Trabis“ durch den Westteil Berlins kurvten. Als wir gegen 22 Uhr unsere Versammlung beendeten und auf den Kurfürstendamm hinaustraten, quoll der Boulevard über von Menschen, die ausgelassen auf der breiten Straße feierten. Wir wußten: Das war die Wiedervereinigung der Stadt Berlin, Deutschlands und Europas!

Still und heimlich schlich ich in meine Wohnung in Zehlendorf und konnte alles kaum fassen.

Dr. Friedrich Vetter

 

 

 

 

An den Tag des 9. Novembers 1989 habe ich noch sehr genaue Erinnerungen, weil ich Geburtstag hatte. Die Mauer und die Zonengrenze waren im Alltag immer gegenwärtig.

Als nun an meinem 29. Geburtstag 1989 die Grenze aufging, bekamen wir das erst mit, als die ersten Geburtstagsgäste eintrafen, die mir in aller Schnelle gratulierten und mich aufforderten, den Fernseher anzumachen. „Die Grenze ist offen!“ Unfaßbar! Bereits am nächsten Tag kamen die ersten „Trabi“-Horden über die Rhön nach Fulda, und der Geruch der Zweitakter erfüllte für Monate die Luft. In Rasdorf bei Hünfeld wurde schnell eine provisorische Straße gebaut.

Nun lief der Verkehr auf dieser „Bananenstraße“ ununterbrochen und das Begrüßungsgeld in Höhe von hundert D-Mark war wohl schnell ausgegeben! Die ehemalige Grenze wurde nur noch von betrunkenen Grenzposten „kontrolliert“, die selber froh waren, daß die 40jährige Freiheitsberaubung vorbei war. Wir haben uns auch aufgemacht, um die „andere Seite“ zu erforschen.

Jörg Bernhard

 

 

 

 

Wie jedes Jahr in den achtziger Jahren befand ich mich auch am 9. November 1989 zu einem dreimonatigen Studien- und Forschungsaufenthalt in Moskau am Puschkin-Institut der russischen Sprache im Südwesten Moskaus. Gemeinsam mit russischen Kollegen saß ich an einem großen Wörterbuch der russischen Sprache. Ich betrachtete diese Aufenthalte auch als eine Art zeitweiliger Emigration aus der DDR mit ihren erstickenden politischen Verhältnissen in die Sowjetunion der Perestrojka unter Gorbatschow.

Ich konnte mich, bequem untergebracht im Internat des Instituts, in aller Ruhe mit meinen Studien befassen, Radio hören und fernsehen.

Da kamen überraschende Nachrichten in den Zeitungen und im Rundfunk. Man hatte den Eindruck, es ballt sich etwas am politischen Himmel zusammen. Plötzlich hieß es, die Mauer in Berlin ist geöffnet. Sofort rief ich zu Hause an und vergewisserte mich über die Situation. Meine ersten Fragen waren, wie es an der Humboldt-Universität aussieht und ob man nun endlich politisch freier atmen könne. Ich konnte es kaum glauben. Tief im Innern war ich immer zuversichtlich gewesen, daß die beiden Teile Deutschlands eines Tages wiedervereinigt würden, weil ich der festen Überzeugung war, daß man ein so großes Kulturvolk und seine Menschen nicht einfach durch eine Mauer, Stacheldraht und bewaffnete Streitkräfte auf Dauer trennen könne. Aber daß das noch zu meinen Lebzeiten geschehen würde, hatte ich nicht angenommen.

Meine russischen Kolleginnen (es waren vor allem Frauen in der Abteilung) und der Chef der Abteilung brachten mir überraschenderweise ihre Sympathie und ihr Einverständnis mit diesem Ereignis zum Ausdruck. Tief beeindruckt war ich von dem Satz des Chefs, Dr. Valerij Veniaminowitsch Morkowkin: „In einem Jahr, Bertolt Erichowitsch, wird Deutschland wiedervereint sein.“ Ich konnte es kaum glauben, aber er hatte recht.

Prof. Dr. Bertolt Brandt

 

 

 

 

Wir Nicht-Fernseher liegen eines Nachts in unseren Betten in einem kleinen Dorf bei Ratzeburg unweit der Zonengrenze. Da höre ich es klingeln. Vor unserer Haustür steht ein Neffe aus Schwerin. Ich habe Mühe, meine Tränen zurückzuhalten. Wie viele Jahre wirst du deine Eltern, deine Freunde, deine Heimat nicht wiedersehen, schießt es mir blitzschnell durch den Kopf. Und dann sehe ich da in der Dunkelheit der Nacht auch noch seinen jüngeren Bruder. Schlimm. Arme Eltern. Wann werden die ihre Söhne wiedersehen?

Doch siehe da. Auch die Eltern stehen draußen in der Nacht des 9. Novembers 1989. Und uns ist klar: Die Grenze, die Deutschland und die Welt seit Ende des Zweiten Weltkrieges teilt, ist Vergangenheit. Deutschland ist wieder eins.

Dieter Haker

 

 

 

 

Am Abend des 9. Novembers 1989 war ich mit Kollegen am Rande von Nürnberg zu einem Empfang mit Gänsebratenessen geladen. Kurz vor Mitternacht stieg ich ins Auto, dann hörte ich im Radio die unerwartete Nachricht: Die Mauer ist offen!

Unfaßbare Worte. Ich rief sofort zu Hause an, dort glaubte man mir nicht. Noch vor wenigen Wochen hatte ich in Prag meinem DDR-Verwandten zur Flucht in die deutsche Botschaft verholfen, vor fünf Jahren war ich selbst aus politischer DDR-Haft freigekauft worden, das MfS hatte mich „im Spannungsfall zur Liquidation freigegeben“. Deshalb verfolgte ich mit großer Sorge die Demonstrationen gegen die SED-Diktatur, denn die Kommunisten hatten in Peking ein Blutbad angerichtet. Diese Nacht konnte ich kaum schlafen. Am nächsten Morgen arbeiteten wir alle nicht. Wir standen vor dem Fernseher und viele von uns hatten Tränen in den Augen, immer wieder das Wort „Wahnsinn“. Mittags fuhr ich auf der A7 in Richtung Hannover, überall „Trabant“, „Wartburg“, „Skoda“ mit geflüchteten Menschen, erschöpft, müde, doch sehr glücklich. Sie kamen aus der „CSSR“, und die Maueröffnung in Berlin hatte sie auch überrascht. Mit vielen redete ich im Stau. Wir alle waren Deutsche, und endlich war es möglich, die Teilung zu überwinden. In mir wuchs ein ungeheures Glücksgefühl, und es hält bis heute an, weil trotz aller Probleme unser Vaterland wieder grenzenlos ist.

Alexander W. Bauersfeld

 

 

 

 

Nach dem ersten Satz des Konzertes mit Yehudi Menuhin in Leer/Ostfriesland flüsterte mir meine Nachbarin zu, die Mauer sei geöffnet. Ich konnte mich gar nicht mehr auf den meisterlichen Vortrag konzentrieren. Auf der Rückfahrt nach Norddeich sagte ich den ungläubigen Damen, die bei mir mitfuhren, die staatliche Einheit Deutschlands in Jahresfrist voraus. Damit hatte ich nur einen Monat zuviel angenommen.

Morgens in der Schule beglückwünschten mich meine Kollegen, die mich früher wegen meines Unterrichts über die Deutsche Teilung immer für einen „armen Irren“ gehalten hatten.

Georg K. Schmelzle

 

 

 

 

Mein Mann und ich saßen in jenen Tagen häufig vor dem Fernsehgerät, und als dann wirklich die Mauer fiel, lagen wir uns in den Armen, weinten und köpften gleich eine Flasche Sekt. Es war alles so unbegreiflich. Auf den Straßen herrschte eine unheimliche Stille, auch am nächsten Tag. Es herrschte kaum Verkehr in Mülheim/Ruhr; an einer Ecke nahe unserem Haus, erschien plötzlich, ganz ein einsam, ein „Trabi“!

Kein anderer Passant war in meiner Nähe, aber ich klatschte und jubelte diesem Auto zu. Am liebsten wären wir sofort zur Grenze gefahren, aber das war für uns zu weit. Wir beneideten all die Menschen, die nahe der DDR-Grenze lebten und wirklich „live“ diese unvorstellbare Maueröffnung erleben konnten.

Ingrid Lange

 

 

 

 

„Privatreisen nach dem Ausland … ohne Vorliegen von Voraussetzungen … eine Regelung zu treffen, … die es jedem Bürger der DDR möglich macht … das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich …“

Ha, was redet er da? Wenn das wörtlich gemeint wäre, könnte man ja gleich rüber, dachte ich mir. Das kann ja nicht sein. Doch die letzten Wochen und Monate hatten eine Sensibilität für das schier Unmögliche erzeugt. Und so beschloß ich, die Entwicklungen dieses Abends genauestens zu verfolgen. Lange nach Mitternacht schließlich, als die Fernsehbilder das Unfaßbare zeigten, zog ich mich wieder an und verließ die Wohnung. Die Eindrücke dieser Nacht haben sich minutiös in mein Gedächtnis eingebrannt. Angefangen von dem Erbrochenen im Treppenhaus, das ein heimkehrender Zecher dort hinterlassen hatte. Wie komme ich vom Strausberger Platz (Friedrichshain) zum Kudamm? Ich hatte keine Ahnung. In den Ost-Stadtplänen war der Westteil Berlins komplett weiß. Also auf zum Brandenburger Tor. Mit dem kleinen Weltempfänger am Ohr und Nenas Lied „Wunder geschehen“ kam ich nach dreißig Minuten schnellen Fußmarsches dort an. Hier war kein Übergang. Ein Grenzsoldat erklärte mir den Weg zum Checkpoint Charlie. Immer an der Mauer entlang. Ich bedankte mich, setzte meinen Weg lachend mit hoher Schrittfrequenz fort und in meinem Kopf hämmerte nur ein Wort: „Wahnsinn!“ Der größte Ansturm war um diese Zeit – etwa 3.30 Uhr – offenbar schon vorüber. Auf der Westseite standen ein paar Punks Spalier und bestaunten einen einzelnen Ossi Mitte Zwanzig im grünen Parka. Es lag irgendein süßlicher Geruch in der Luft. Ich war in meinem Lauf nicht aufzuhalten und kam statt am Kudamm am Halleschen Tor raus. Von dort marschierte ich den ganzen Weg zurück zum Brandenburger Tor, wo unterdessen ein großer Trubel herrschte und die Mauerspechte ihre Arbeit aufgenommen hatten. Viele kletterten per Räuberleiter auf die Mauer. Ich stand unten bis ungefähr um sechs Uhr früh. Trunken vor Glück. Wollte die Stimmung dieses historischen Moments auf ewig in mich aufnehmen. Dann ging ich nach Hause.

Dirk Poldauf

 

 

 

 

Am Samstag, den 11.November 1989 hatte ich morgens Unterricht. Doch hatte keiner Lust, trockenen Geschichtsstoff zu pauken. Eine Schülerin brachte es auf den Punkt: „Wir pauken hier und in Berlin wird Geschichte gemacht.“ Auf die locker in den Raum geworfene Frage eines Schülers, warum man nicht einfach hinfahre, antwortete ich noch ungläubig: „Wie soll das denn gehen?“ Eine Lehrerin mit ebenfalls ostdeutscher Herkunft wurde befragt. „Warum eigentlich nicht?“ Das war die Initialzündung. Die erste Hürde, der Rektor, war unerwartet schnell genommen: „Dann fahrt!“ war die mutige, wie weitsichtige Antwort.

Ohne Plan und Organisation ging es um 14 Uhr mit hundert Schülern in kurzfristig organisierten Bussen los. Nach der Ankunft um 22 Uhr hieß es sofort: Ausschwärmen, angucken, auf sich wirken lassen. Beim ersten Treffen morgens um 4 Uhr wurde berichtet, daß der Potsdamer Platz um 8 Uhr geöffnet werden soll.

Diese Öffnung war für mich das aufwühlendste Erlebnis, das ich in meinem bisherigen Leben erfahren hatte. Als ich, wie Tausende andere, die Mauer bestieg und mit dem Hammer auf sie einschlug, komprimierten sich genau 28 Jahre und 3 Monate zu einer Momentaufnahme. Ich lag wildfremden Menschen in den Armen und ließ meinen Gefühlen freien Lauf. Hier mischten sich Tränen der Freude und der Wut: Wieso mußten wir derart lange auf ein letztlich so banales Loch warten in einer Mauer, die meine Familie sowie das gesamte deutsche Volk zerrissen hatte?

Joachim Noack

 

 

Fotos: Die Abgeordneten des Bundestage singen die Nationalhymne, Das Brandenburger Tor vor ..., ... und nach dem 9. November 1989., Grenztruppen riegeln den Pariser Platz in Berlin ab (November 1989), Derselbe Ort heute: Das Brandenburger Tor ist offen

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