© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/09 13. November 2009

Frisch gepresst

Berichte aus der Zone. Der SED-Überwachungsstaat mit Stasi-Geruchsproben im Weckglas und Wanzen hinter der Tapete, eine bankrotte Volkswirtschaft und der nachdrückliche Wunsch der „DDR-Bevölkerung“ nach Demokratie und deutscher Einheit. Gerhard Löwenthal war zwar kein Korrespondent in der DDR, ließ sich den Blick auf diese Fakten nicht verstellen – und wurde deshalb im Westen als „Kalter Krieger“ abgetan und angefeindet. Auch Peter Nöldechen berichtete über 16 Jahre aus dem „Arbeiter- und Bauernstaat“, der Journalist der linken Westfälischen Rundschau war nämlich seit 1973 einer der ersten Westkorrespondenten in der DDR. In seiner Rückschau resümiert Nöldechen, daß er schließlich auch sehr früh „die gesellschaftlichen Bewegungen und Entwicklungen“ wahrgenommen habe. Wenn man allerdings seine Rekurse auf die vorbildliche Rolle der Frau in der DDR oder allenfalls leise Kritik an den Umweltproblemen wahrnimmt, beschleicht einen der Verdacht, daß es genau Leute wie Nöldechen waren, die im Westen das Bild einer heilen sozialistischen Welt in der „neuntgrößten Industrienation“ nährten (Geteilte Erinnerungen. Berichterstattungen aus der DDR 1974–1989. Callidus Verlag, Wismar 2009, broschiert, 237 Seiten, Abbildungen, 18,90 Euro).

 

Universität München. Wo vor zwanzig Jahren noch eine riesige Forschungslücke klaffte, ist das Feld heute gut bestellt. Für die meisten Universitäten des Deutschen Reiches liegt ihre Geschichte während der zwölf NS-Jahre vor. Jüngstes Mitglied im Klub ist die Ludwig-Maximilians-Universität in München. 2006 mit dem ersten Aufsatz-Band begonnen, hat die Herausgeberin Elisabeth Kraus im letzten Herbst ihr 1.300-Seiten-Unternehmen mit dem zweiten Band glücklich zu Ende geführt. Naturgemäß konnten nicht alle Disziplinen, die an einer der größten deutschen Hochschulen gelehrt wurden, Berücksichtigung finden. Auch sind erhebliche Ungleichgewichte entstanden. So darf sich ein Orchideenfach wie die Ägyptologie auf fünfzig Seiten präsentieren, während die große Juristische Fakultät sich mit der Hälfte begnügen muß. Zudem machen sich die Qualitätsunterschiede recht schmerzlich bemerkbar, so etwa im Vergleich zwischen dem vorzüglichen, kenntnisreichen Beitrag über die Altertumswissenschaften von Maximilian Schreiber im ersten Band, ergänzt durch Gerhard Schotts Studie über den Plotin-Forscher Richard Harder als „ersten Interpreten der Flugblätter der ‘Weißen Rose’“, und den einfach nur miserablen Aufsätzen über den Philosophen Hans Alfred Grunsky oder den Historiker Wilhelm Grau (Die Universität München im Dritten Reich. Herbert Utz Verlag, München 2006 und 2008, zwei Bände, 670 und 624 Seiten, Abbildungen, je 49,80 Euro).

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