© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/09 20. November 2009

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Pressefreiheit
Karl Heinzen

Mathias Döpfner gilt eigentlich als Grandseigneur im oft recht hemdsärmeligen Mediengeschäft. Die tiefe Sorge, daß das Internet gar nicht der Wissensgesellschaft dient, sondern vielmehr deren Fundament untergräbt, läßt jedoch auch ihn die Contenance verlieren. Was ein Blick auf die erodierende Gewinne ausweisende Bilanz der von ihm geführten Axel Springer AG zum Ausdruck bringt, scheint heute in der Tat das Schicksal nahezu aller Zeitungs- und Zeitschriftenverlage zu sein. Printmedien verlieren an Auflage und werden dadurch auch als Werbeträger immer unattraktiver. Die Erlöse aus Vertrieb und Anzeigengeschäft sinken Hand in Hand. Im Internet jedoch ist es äußerst schwierig, sogenannte Geschäftsmodelle durchzusetzen, also irgend jemanden dafür zu gewinnen, für irgend etwas Geld auszugeben. Werbekunden mag man ja noch locken können, wenn man nur stattliche Besucherzahlen auf der fraglichen Seite nachweisen kann. Die Besucher selbst aber sind kaum dazu zu bewegen, für die aufgerufenen „Inhalte“ zu bezahlen.

Dies alles, so meint Mathias Döpfner, ist jedoch kein schicksalhaftes Naturgesetz, dem man sich zu unterwerfen hätte, sondern Menschenwerk und damit veränderbar. Und mehr noch, es lassen sich sogar Schuldige identifizieren, die für den ganzen Schlamassel verantwortlich sind. Auf dem Monaco Media Forum 2009 hat Döpfner nun endlich das Geheimnis gelüftet: „Webkommunisten“ vergiften die Seelen der Massen, indem sie ihnen einreden, sie hätten das Recht auf einen freien Zugang zu Informationen. Dies jedoch sei genauso absurd, als würde man propagieren, daß jedermann das Bier im Supermarkt kostenlos mitnehmen dürfe.

Döpfners Auslassungen verblüffen nicht nur aufgrund ihrer gesellschaftsphilosophischen Tiefenschärfe, sondern auch, weil sie eine geläuterte Auffassung des Kommunismus offenbaren. In den Zeiten des Kalten Krieges warf das Hause Springer diesem immer vor, er wolle die Menschen an einem freien Zugang zu Informationen hindern. Nun scheint man also einzusehen, daß doch eher das exakte Gegenteil zutreffend ist.

Weniger irritieren sollte hingegen, daß Döpfner unablässig von aufwendig erarbeiteten „Informationen“ spricht, die sein Verlag im Internet nicht zum Nulltarif verschleudern wolle. Eine Neuausrichtung hin zum „Qualitätsjournalismus“ ist damit nicht gemeint. Sex and Crime, Sport und Spiel, Macht und Geld: Auf diesen Themengebieten sieht Döpfner seinen Verlag so gut positioniert, daß mit ihnen doch auch im Internet Geld zu verdienen sein sollte.

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