© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/09 27. November 2009

Konservativer Arbeitskreis
Es brodelt in der Union
Dieter Stein

Beim Streit um Erika Steinbach geht es nicht nur um die deutsch-polnischen Beziehungen. Beim Tauziehen um den Sitz des Bundes der Vertriebenen im Stiftungsrat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ geht es um mehr. Es geht auch um die Beziehungen der Union zu ihrem unter Kohl und Merkel systematisch marginalisierten konservativen Rest-Flügel. Die Vertriebenen stellten einst einen wesentlichen Kern der konservativen Substanz bei CDU und CSU. Aus biologischen Gründen hat sich die Zahl der Bundestagsabgeordneten mit „Vertreibungshintergrund“ dezimiert. Man glaubt in der CDU-Führung, das Thema allein aus machtpolitischen Erwägungen folgenlos an den Rand drücken zu können.

Doch es brodelt in der Union: Bei der vergangenen Bundestagswahl fuhren die beiden Schwesterparteien ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 ein. Unter Führung von Merkel brechen die Christdemokraten besonders stark bei traditionellen Wählermilieus ein: gläubigen Christen und Konservativen. Eine Kerngruppe bilden dabei die Katholiken, die die Papstschelte der Kanzlerin geschockt hat, darunter auch manche, denen das Abservieren des konservativen Abgeordneten Martin Hohmann unter dem Druck einer Medienkampagne erinnerlich ist.

In diese Leerstelle will jetzt eine Gruppe in der Union stoßen, die sich „Arbeitskreis engagierter Katholiken“ (AEK) nennt (siehe Seite 4). Damit soll neben den Evangelischen Arbeitskreis und das Deutsch-Türkische Forum eine Plattform treten, die den ursprünglich selbstverständlichen katholischen Kern der CDU vor der Auflösung bewahren soll. Die Krise der CDU erreicht somit im wahrsten Sinne das Zentrum der Partei.

Beobachter sind skeptisch, was den Wirkungsgrad dieses neuen Arbeitskreises angeht. Es ist fraglich, ob der Kreis eine Schwungmasse erreicht, die die Arithmetik in der Union verschieben könnte. Es steht zu befürchten, daß Merkel dankbar ist, die kleine Gruppe katholisch-konservativer Quälgeister identifizier- und kontrollierbar zu machen – und letztlich auflaufen zu lassen. Nicht anders hat es Konrad Adenauer übrigens schon mit den Vertriebenen und auch den Überläufern von der Deutschen Partei gemacht.

Dennoch sind die Vorgänge um Vertriebene und Katholiken deutliche Indizien, daß es massive Bruchlinien gibt in der Union. Viele nehmen es auch der Westerwelle-Truppe übel, wie tief die liberale FDP in die eigenen Reihen eingebrochen ist. Ähnlich viele hadern mit ihrer Kanzlerin, die die bürgerlichen Wähler durch ihre profillose Politik davonjagt. Man weiß, wie viele konservative Stammwähler diesmal FDP gewählt haben. Die Causa Steinbach wird deshalb jetzt zu einer Art Nagelprobe für eine Rückbesinnung auf eigene Stärke.

Es ist jedenfalls bemerkenswert, daß im Kontext der Entstehung des katholischen Arbeitskreises in den Medien bereits das Wort von der „Parteigründung“ fiel. Noch nie war das konservative Vakuum rechts von Union und FDP so groß wie heute – noch nie aber auch so fern die Köpfe und die Organisation, die dieses Vakuum erfolgreich füllen könnten.

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