© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/09 27. November 2009

Die Priester, die gerne Ketzer wären
Agitation und Selbstmitleid: Eine Ausstellung über Rassismus in Europa stößt zu Recht auf wenig Interesse
Doris Neujahr

Große Resonanz hat die Ausstellung „Fremde? Bilder von den ‘Anderen’ in Deutschland und Frankreich seit 1871“, die vor knapp sechs Wochen im Deutschen Historischen Museum in Berlin eröffnet wurde, nicht gefunden. Die Ignoranz hat einen Grund: Es ist keine historisch informierende, sondern eine – zumindest in weiten Teilen – politisch agitierende Veranstaltung. Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Der deutsche und europäische Blick auf andere Kulturkreise im 19. Jahrhundert war nicht im heutigen Sinne rassistisch, sondern vom naiven Interesse am Exotischen bestimmt. Hier aber soll ein Bogen geschlagen werden: Rassismus – Antisemitismus – Ausländerfeindlichkeit – Islamfeindlichkeit. Böses Deutschland, böses Europa!

Der Arbeitskräftemangel habe zur Anwerbung von Gastarbeitern geführt! Das Drängen der Entsenderländer, ihren Bevölkerungsüberschuß nach Deutschland exportieren zu dürfen, wird verschwiegen. Und die Gewaltattacken gegen die Antiislamisierungskonferenz im September 2008 in Köln erscheinen als Glanztat zivilgesellschaftlichen Engagements.

Die Wochenzeitung Die Zeit hat jetzt zweimal versucht, der Ausstellung (die noch bis Ende Januar 2010 läuft) ein bißchen Aufmerksamkeit zu verschaffen und dazu einen angeblichen Fall von staatlicher Zensur durch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) thematisiert. Ein von den Ausstellungsmachern vorgesehener Text hatte ursprünglich geendet: „Während innerhalb Europas die Grenzen verschwinden, schottet sich die Gemeinschaft der EU zunehmend nach außen ab. Die Festung Europa soll Flüchtlingen verschlossen bleiben.“ Auf der ausgestellten Schautafel heißt es nun aber: „Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fördert (...) staatlicherseits die Integration von Zuwanderern in Deutschland.“

Ist das Zensur? Oder nicht eher der Versuch, die aggressive Agitation von Lobbyinteressen wenigstens zu dämpfen? Die sich zensiert fühlenden Ausstellungsmacher repräsentieren den vorherrschenden Intellektuellentyp: Sie sind Amtskirche, doch ihre Gottesdienste bleiben inzwischen leer. Also inszenieren sie sich als verfolgte Ketzer. Lächerlich, dieses Selbstmitleid.

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