© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/09 04. Dezember 2009

Wer ist der Koch?
Integration: Ein funktionierender Prozeß ist längst ins Stocken geraten
Thorsten Hinz

Eine Integration von Ausländern hat es in Deutschland immer gegeben. Ein Beispiel dafür sind jene beiden Herren, die ihr Ausbleiben zur Zeit am schärfsten kritisieren: Heinz Buschkowsky, Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, und Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin. Beider Familiennamen verweisen auf ethnische Anteile, die nicht eben kerndeutschen Ursprungs sind. So war es immer: Leute kamen her (oder gingen weg), weil sie sich anderswo bessere Chancen ausrechneten.

Sie schlugen ihre Zelte auf, befolgten die geltenden Gesetze und waren besorgt, niemandem zur Last zu fallen. Ganz im Gegenteil, sie arbeiteten hart, weil ihre Kinder es einmal besser haben sollten. Ihre Sitten und Gebräuche verschmolzen sich mit den deutschen, der Erwerb der deutschen Sprache war eine Selbstverständlichkeit. Dieser Prozeß verlief nicht konfliktfrei und brauchte in der Regel drei Generationen, doch er funktionierte. Und das alles ohne Integrationsexperten und Kanzlerrunden, ohne den Riesenapparat von Ausländer- und Integrationsbeauftragten und was der parasitären Substrukturen mehr sind.

Dieser Prozeß ist ins Stocken gekommen beziehungsweise erfährt eine Umkehrung. Statt Ausländerintegration erleben wir die Desintegration der Sozial- und Bildungssysteme, aber auch elementarer lebensweltlicher Bereiche wie des öffentlichen Nahverkehrs, der Schwimmbäder, ganzer Straßenzüge, die für die Polizei und den deutschen Normalbürger gefährliche Zonen darstellen.

Die alteingesessene Bevölkerung wird verdrängt. Vor diesem Hintergrund löst der Begriff „Integration“ vielerorts allergische Reaktionen aus. Die Bürger spüren, daß er zum sprichwörtlichen Sand gehört, den die politische und mediale Klasse ihnen in die Augen streut.

Michael Paulwitz hat in der vorigen Woche richtig festgestellt, daß für eine gelungene Integration die Quantität und Qualität der Zuwanderer entscheidend sind. Für die Bundesrepublik muß seit Jahrzehnten konstatiert werden: Die Quantität ist zu hoch, die Qualität zu niedrig. Damit sind wir beim Versagen des bundesdeutschen Staates, dem die Sortierung obliegt, der sie jedoch vorsätzlich unterläßt.

Eigentlich ist der Staat die Instanz, mit dem ein Volk sich zum politischen Handeln befähigt: Nach innen sorgt er für Ordnung und Ausgleich, nach außen wahrt er seine Gesamtinteressen. Ein solches Gesamtinteresse war die Einladung an die Hugenotten durch den preußischen König. Der preußische Staat bestimmte die Konditionen und stellte ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zur Verfügung; die Hugenotten haben es ihm durch Fleiß, Talent und Loyalität vielfach vergolten. Soll Integration gelingen, dann muß klar sein, wer der Koch und wer der Kellner ist!

Gerade wird die Idee eines „Vertrags“ zwischen Staat und Zuwanderern lanciert, der die gegenseitigen Rechte und Pflichten festlegt und damit die juristische Gleichberechtigung beider Seiten suggeriert. Praktisch steht damit das Recht des Zuwanderers, seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland zu setzen, über dem Recht des Staates, ihn auf seine Nützlichkeit für das Gemeinwesen zu prüfen und gegebenenfalls zurückzuweisen. Er darf ihm lediglich Mittel zur Verfügung stellen, damit er sich möglichst reibungslos einfügt.

Damit macht der Staat sich von fremden Interessen abhängig, er verrechtlicht und verfestigt das gegenwärtige Chaos.

Die elementare politische Frage: Wer darf rein, wer nicht?, wird unterdrückt und auf eine soziale Frage reduziert. Damit exekutiert der Staat zugleich eine politische Entscheidung gegen die autochthone, die deutsche Bevölkerung: Die Deutschen sollen – und zwar in elementaren Konfliktfällen – über ihr politisches, wirtschaftliches, kulturelles, gesellschaftliches, soziales Schicksal, über ihr Territorium und ihre finanziellen Ressourcen nicht selber bestimmen dürfen. Damit wird das Wort „Integration“ endgültig vergiftet. Es bedeutet unter diesen Umständen nichts anderes, als daß der Staat respektive die Inhaber staatlicher Macht dem eigenen Volk sukzessive den Boden unter den Füßen wegziehen.

Damit entfällt auch jedes Interesse der Zuwanderer an einer positiven Integration. Denn erstens gibt es dafür keine äußere Notwendigkeit mehr, zweitens kann man sich gemäß den psychologischen Wahrscheinlichkeiten nur in etwas integrieren, was einem Respekt abnötigt. Ein schwacher Staat, der sich im vorauseilenden Gehorsam übt, ist eine zwar nützliche, aber auch verächtliche Angelegenheit. Diese Verächtlichkeit betrifft auch die Gesellschaft.

Als der CDU-Politiker Friedrich Merz im Herbst 2000 die Einhaltung einer „deutschen Leitkultur“ forderte, die nichts anderes ist als der selbstverständliche, lebensweltliche Primat der Deutschen in Deutschland, keifte ein mächtiger Verbandspräsident: „Ist es etwa deutsche Leitkultur, Fremde zu jagen, Synagogen anzuzünden, Obdachlose zu töten?“

Der solcherart konditionierte, entpolitisierte, pazifizierte Homo bundesrepublicanus läßt sich nicht mehr bloß durch den Vorwurf des Faschismus und der Ausländerfeindlichkeit mundtot machen, er läßt sich auch ohne Gegenwehr verprügeln. Die Erwartung, die Zuwanderer möchten sich in seine Alltagskultur integrieren, ist beinahe schon obszön.

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