© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/09 04. Dezember 2009

„Handeln wir nicht, wird es dramatisch werden“
Die Prognosen des Weltklimarats stimmen, mahnt der Meteorologe Jochem Marotzke – und er warnt vor den Klimaskeptikern
Moritz Schwarz

Herr Professor Marotzke, ist eine Klimaprognose bis zum Jahr 2100 anhand von Modellen unseriös, wie die Klimaskeptiker behaupten?

Marotzke: Das ist falsch. Es stimmt, daß große Unsicherheiten bestehen, aber die beziehen sich nicht darauf, ob es einen Klimawandel gibt, sondern wie stark er künftig ausfällt. Doch gerade diese Unsicherheit – daß wir nicht ausschließen können, daß der Wandel erheblich sein wird – macht es um so nötiger, Maßnahmen zu ergreifen.

In den Reihen der Klimaskeptiker findet man allerdings auch etliche seriöse Professoren.

Marotzke: Ich kann mich nur wundern, daß auch Wissenschaftler solche Positionen vertreten. Dennoch, es gibt keine Erklärung für die Erwärmung der letzten Jahrzehnte ohne das CO2. Wie man das ignorieren kann, ist mir schleierhaft. Zumal die Prozesse, die zu dieser Erwärmung führen, eigentlich recht einfach sind.

379 CO2-Moleküle auf eine Million Luftteilchen, das klingt nicht besonders bedrohlich.

Marotzke: Es mag nicht nach viel klingen, dennoch macht selbst diese geringe Konzentration sehr viel aus. Außerdem, auch wenn die Auswirkung bis jetzt eher gering ist, die Konzentration steigt ja immer weiter an. Wenn wir das nicht verhindern, wird es in Zukunft auf jeden Fall dramatisch werden.

Fast zehn Jahre hat es allerdings gar keine Erwärmung mehr gegeben.

Marotzke: Das stimmt zwar, widerspricht aber nicht den Analysen. Zwar führt mehr CO2 zu einer höheren globalen Mitteltemperatur, aber nur über mehrere Jahrzehnte. In kürzeren Zeiträumen dagegen kann es wie jetzt wegen der natürlichen Schwankungen sogar vorübergehend kälter werden. 

In den Medien sehen wir Bilder von schmelzenden Polen. Wie ist das möglich, wenn Sie einräumen, daß es seit etwa zehn Jahren nicht wärmer geworden ist?

Marotzke: Stagniert hat das globale Mittel. In der Arktis ist es in den letzten zehn Jahren deutlich wärmer geworden.

„Climategate“ nennt sich der jüngste Fall der gehackten elektronischen Korrespondenz renommierter Klimatologen, die untereinander von „Tricks“ sprechen, um bestimmte Daten der Öffentlichkeit in ihrem Sinne zu präsentieren.

Marotzke: Es stimmt, was da öffentlich geworden ist, klingt sehr unglücklich. Aber wenn Sie sich die Arbeit des Kollegen anschauen, ist die völlig in Ordnung. Wenn sich jemand so salopp ausdrückt, muß das natürlich den Bürger irritieren. Als Fachmann kann ich Sie aber beruhigen.

Was muß Kopenhagen also beschließen?

Marotzke: Auf jeden Fall eine Reduzierung der Treibhausgasemission um fünfzig Prozent bis 2050. Um das zu schaffen, brauchen wir verbindliche Zwischenziele, die müssen jetzt festgezurrt werden.   

Kritiker glauben schon jetzt nicht an einen Erfolg des Gipfels.

Marotzke: Noch vor sechs Wochen war ich auch skeptisch, aber dann haben die Europäer den Druck doch spürbar erhöht und ein gewisses Einlenken der USA und Chinas erreicht, so daß ich nun zuversichtlich bin.

Was, wenn zu Unrecht?

Marotzke: Bis das, was wir jetzt in Kopenhagen beschließen, unsere Emissionen wirklich beeinflußt, braucht es zehn Jahre. Bis diese Reduzierung dann die Konzentration in der Luft beeinflußt, braucht es weitere Jahrzehnte. Wir müssen also jetzt die Weichen stellen, sonst liefern wir uns einer Entwicklung aus, deren Folgen für uns unabsehbar und dramatisch werden könnten.

 

Prof. Dr. Jochem Marotzke, ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg. Geboren wurde  der Ozeanograph 1959 in Nister im Westerwald.

 

weitere Interview-Partner der JF

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen