© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/09 04. Dezember 2009

„Es geht darum, Bilder zu schaffen“
Konservativ-Subversive-Aktion: Mit Aktionen im Stil der Achtundsechziger sorgt eine Gruppe rechter Schüler und Studenten für Aufsehen
Hinrich Rohbohm

Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“: So lautete der Text auf einem Transparent, das am 9. November 1967 von zwei Studenten der Universität Hamburg bei der Rektoratsübergabe enthüllt worden war. Der Spruch provozierte – und erregte breite Aufmerksamkeit. Er sollte zur Kernparole der Studentenbewegung werden. Man könnte es eine subversive Aktion nennen, was damals vor nunmehr als 40 Jahren vor sich ging.

Im August vergangenen Jahres ging es in der Elbmetropole wieder subversiv zu. Genauer gesagt: konservativ-subversiv. Denn das, was einst Sozialisten als Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele wählten, wird neuerdings von bürgerlichen Kräften umgesetzt: von der Konservativ-Subversiven Aktion, die in der Hansestadt eine Lesung mit Günter Grass enterte und diesen angesichts seiner verschwiegenen Mitgliedschaft in der Waffen-SS aufforderte, sich nicht länger als „moralische Instanz“ aufzuspielen.

„Wir hatten erkannt, daß die Macht des geschriebenen Wortes überschätzt wird“, sagt Götz Kubitschek, Initiator der vor zwei Jahren von ihm und dem Studenten Felix Menzel ins Leben gerufenen Konservativ-Subversiven Aktion (KSA). Dies gelte um so mehr für Medien, die vom gesellschaftlichen Diskurs ausgegrenzt werden. Kubitschek und Menzel erkannten für sich: Man muß mehr tun, als nur zu publizieren. Und sie taten mehr. Im Mai 2008 statten sie mit ihrer neu gebildeten Gruppe einem Kongreß der Linken.SDS an der Berliner Humboldt-Universität einen ungebetenen Besuch ab, entrollen von der Balustrade des Audimax ein Plakat, auf dem der Kopf Lenins abgebildet ist. „Zehn Millionen Tote“, steht darauf geschrieben: eine Anspielung auf die Massenmorde, die der rote Sozialismus der Sowjetunion zu verantworten hatte. Unzählige Flugblätter schwirren durch die Luft, die KSA-Aktivisten von der Balustrade aus ins Plenum geworfen hatten. Die Kongreßbesucher sind überrascht und verwirrt zugleich. Zumindest für einen kurzen Moment. Ein Ausflug in die Höhle des Löwen, die die KSA-Aktivisten kurzweilig erobern, ehe sie von den sozialistischen Kongreßteilnehmern mit „Hoch die internationale Solidarität“-Rufen niedergebrüllt werden.

Auch bei der jüngsten Aktion hatte die KSA den Überraschungseffekt auf ihrer Seite. Als der Alt-Achtundsechziger und Grünen-Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit gemeinsam mit dem nordrhein-westfälischen Integrationsminister Armin Laschet (CDU) in Frankfurt eine Diskussionsveranstaltung zum Thema „Aufgaben für die Integrationspolitik“ abhält, besetzen KSA-Aktivisten das Podium und entrollen ein Plakat. „Daniel redet vom Wetter“, steht über dem Karikaturbild Cohn-Bendits und darunter: „Wir nicht.“ Gleichzeitig rufen gut 25 KSA-Anhänger: „Wo ist Sarrazin?“, um darauf aufmerksam zu machen, daß Cohn-Bendits Bild von einer multikulturellen Gesellschaft nicht der Realität entspricht.

„Es geht darum, Ereignisse und Bilder zu schaffen“, erklärt Felix Menzel, der unter anderem die Schülerzeitung Blaue Narzisse betreibt. Mit provokanten Aktionen wolle man Aufmerksamkeit erregen, um auf Mißstände und Fehlentwicklungen in der Gesellschaft hinzuweisen. Ein Stilmittel, das unter Konservativen auf ein geteiltes Echo stößt. Die Reaktionen auf die KSA-Aktionen reichen von euphorischer Begeisterung darüber, daß endlich jemand aktiv werde, bis zu offener Ablehnung des Konzepts, weil dies typische Methoden der Linken seien, die man nicht auch noch aufwerten solle, indem man sie nachahme. Kubitschek ist sich des Konflikts bewußt. Er versucht einen Mittelweg einzuschlagen. „Im Gegensatz zu den Linken verdecken wir nicht unser Gesicht. Letztendlich wollen wir konstruktiv wirken.“ Dazu zähle die entschiedene Ablehnung von Gewalt. „Das wird es bei uns nicht geben“, bekräftigt der Herausgeber der Sezession.

Einmal wurde die Grenze dann doch überschritten. Es ist in einer Schule in Chemnitz geschehen, als es darum ging, ein Wandbild zu retten, das aus politischen Gründen übermalt werden sollte. „Da sind wir in ein Haus eingestiegen“, sagt Menzel. Sie hatten kein Fenster eingeschlagen, keine Tür aufgebrochen. Da war nur diese Luke, die offenstand. Die KSA-Mitglieder drangen in das Gebäude ein. Hausfriedensbruch, eine Geldstrafe in Höhe von 1.200 Euro war die Folge. Menzel sieht das ein. Und doch fragt er sich: „Warum aber bleibt dann die tagelange Besetzung einer Universität durch linke Kräfte unbestraft?“

Kubitschek und Menzel machen weiter, die Gruppe – zumeist Schüler und Studenten – hat Zulauf. Und will ihre Strukturen weiter ausbauen. Sollte es ihr gelingen, könnte der Studentenspruch der Achtundsechziger bald anders lauten: „Unter den Talaren – roter Muff aus Achtundsechziger Tagen“.

Weitere Informationen im Internet unter www.blauenarzisse.de und www.sezession.de

Foto: KSA-Protest in Frankfurt mit Cohn-Bendit (l.), Laschet und Kubitschek (mit Megaphon): „Wir verstecken nicht unser Gesicht“

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