© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/09 11. Dezember 2009

Schöne Neue Idiotenwelt
10 Jahre „Kampf gegen Rechts“: An die Stelle des Politischen tritt eine fragwürdige Gesinnungsethik
Thorsten Hinz

Die Bundesregierung hat angekündigt, die für den „Kampf gegen Rechts“ reservierten Finanzmittel künftig auch in die Auseinandersetzung mit dem linken und islamistischen Extremismus zu stecken: eine ihrer wenigen programmatischen Erklärungen, die Einsicht und Vernunft verraten. Die zuständige Familienministerin Kristina Köhler (CDU) nimmt das Vorhaben offenbar ernst. Köhler hat bereits als Bundestagsabgeordnete erkennen lassen, daß sie sich über den ideologischen und politischen Hintersinn des „Kampfes gegen Rechts“ im klaren ist. Vielleicht schafft sie es, einige Geldströme umzuleiten und zumindest die am übelsten riechenden Sümpfe trockenzulegen.

Allein, für eine Tendenzwende genügt das nicht. Denn der „Kampf gegen Rechts“ richtet sich zwar gegen ein Phantom, doch er ist zu einer Staats­ideologie geworden. Die Gründe sind vielfältig, einige reichen bis zu den Anfängen der Bundesrepublik zurück, die sich politischen Handlungsspielraum dadurch erkaufte, daß sie die NS-Vergangenheit „aufarbeitete“ und „bewältigte“. Nach 1989 wurde die Vergangenheitsbewältigung sukzessive zum „Kampf gegen Rechts“ ausgeweitet, institutionalisiert und mit zivilreligiösen Weihen versehen.

Was heute als „rechts“ attackiert wird, ist im Grunde nichts anderes als das Bedürfnis nach politischer und anthropologischer Normalität. Im „Kampf“ dagegen drücken sich die Weigerung und Unfähigkeit aus, ein normaler Staat mit einem normalen Staatsvolk zu werden, das seine Politik selber in die Hand nimmt und verantwortet.

Gerade die Funktionseliten waren von der Wiedervereinigung heillos überfordert. Das amerikanische Angebot einer „Partnership in leadership“ (Partnerschaft in der Führung) löste beinahe Panik aus. Ähnlich war es in der Innenpolitik. Den Revolutionen in Osteuropa folgte ein Massenzustrom von Armutsasylanten, der die Bevölkerung beunruhigte. Statt die Gesetze umgehend an die neue weltpolitische Lage anzupassen, wurden Kampagnen gegen „Ausländerfeindlichkeit“ gestartet.

Darin drückte sich ein antinationales Moment aus, das viele Linke und Linksliberale bis heute prägt. Das zweite Motiv war die Furcht vor politischem Handeln, das dem Eigeninteresse gegenüber den Fremdinteressen Geltung verschafft und immer auch ein Risiko in sich trägt. Der aufgeklärte Bundesdeutsche dagegen glaubt Zustimmung und Schonung zu erlangen, wenn er nur die anderen von seiner eigenen, subjektiv tief empfundenen Harmlosigkeit überzeugt. Die „Nie wieder Deutschland“-Mentalität beruht auf der geschichtlichen Erfahrung, daß der deutsche Nationalstaat 1945 in einer Katastrophe endete. Die linksliberalen Funktionseliten machen auf ihre Weise ernst mit den Warnungen aus der deutschen Geschichte, indem sie das Politische durch einen moralischen bzw. gesinnungsethischen Fundamentalismus ersetzen.

Dieser Fundamentalismus, der das Politische negiert, ist selber zum Politikum geworden und besitzt eine enorme Eigendynamik. In diesem Land, das so richtig deutsch nicht mehr sein soll, formiert er die Gesellschaft neu, gibt ihr Struktur und Zielbestimmung. Doch um welchen Preis? Eine „Kleptokratie“ nannte Peter Sloterdijk kürzlich den mißbrauchten Sozialstaat. Eine vergleichbare Idiotenwelt wird durch den penetrant antirechten, antifaschistischen Staat formiert. Während der Staatshaushalt kollabiert und die Europäer durch Völkerwanderungen ihrer angestammten Lebenswelt verlustig gehen, haben die zivilgesellschaftlich gelenkten Deutschen anderweitig zu tun: Die Großeltern backen Benefiz-Kuchen für „Brot für die Welt“, die Eltern kämpfen gegen den Klimawandel, und die Kinder wenden ihre Energien gegen Phantom-Nazis! Vereint fühlen sie sich im Kampf gegen ein säkularisiertes Böses, das im „Rechten“ Gestalt angenommen hat. Wie unmündige Kinder befinden sie sich in einer Beschäftigungstherapie und meinen, an etwas Großartigem mitzuwirken. Doch als politische Subjekte sind sie neutralisiert.

Im Zuge des „Kampfes gegen Rechts“ entscheiden statt Gerichten häufig gewaltbereite Autonome und Aktivisten darüber, ob bestimmte Versammlungen und Demonstrationen überhaupt stattfinden dürfen. Durch ihre Duldung ermächtigen Zivilgesellschaft und Staat sie, in Rotfront- und SA-Manier ihre kriminellen, jedenfalls minderwertigen Instinkte, Gelüste und Interessen auszuleben. Wenn sie – wie jetzt mit den Anschlägen auf Polizeieinrichtungen in Hamburg und Berlin – über das Limit hinausschießen, bestätigt sich die Komplizenschaft noch im Beschweigen des linksextremen Hintergrunds.

Zugleich gibt es Indizien, daß Zivilgesellschaft und Staat dazu neigen, die Gewalttäter zu instrumentalisieren, um unliebsame Meinungsäußerungen und Initiativen zu unterdrücken. Dieses Mit- und Ineinander von antifaschistischem Terror und staatlicher Repression wird zweifellos anwachsen, je mehr staatliche Machtpositionen die Linkspartei erobert. Unter formal demokratischen und rechtsstaatlichen Verhältnissen wird damit ein Typus herangezüchtet, mit dem man – frei nach Oskar Lafontaine – gegebenenfalls auch Konzentrationslager (respektive Umerziehungszentren zur Generierung eines demokratisch-antirassistischen Bewußtseins) betreiben kann.

Unterhalb der Ebene höchstrichterlicher Urteile wird längst ein Ausnahmerecht praktiziert. Nach dem dubiosen Lebkuchenmesser-Attentat auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl vor einem Jahr wurden unter dem anfeuernden Geheule der Medien völlig Unschuldige, aber „Rechte“ fest- und ihre Wohnung auseinandergenommen. Eine Neugewichtung und Relativierung des „Kampfes gegen Rechts“ durch die Bundesregierung wäre auch ein notwendiges Zeichen gegen plebiszitär gesteuerte staatliche Behörden und Gerichte.

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