© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/09 11. Dezember 2009

Günter Heiß. Der neue Geheimdienstkoordinator gibt sich weder geheim noch unparteiisch
Der Piano-Mann
Christian Vollradt

Wenn im Machtzentrum Berlin das Personalkarussell zu rotieren beginnt, wirbeln seine Fliehkräfte auch an der Peripherie – in den Bundesländern – manches durcheinander. So wurde jetzt in Hannover Günter Heiß, Präsident des niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, vom Sog erfaßt: Der 57jährige Christdemokrat soll künftig im Kanzleramt als Geheimdienstkoordinator dienen, weil der bisherige Posteninhaber Klaus-Dieter Fritsche neuer Staatssekretär im Bundesinnenministerium wird.

Heiß, noch Herr über eine 250-Mann-Landesbehörde und zuständig für die Hege von Extremisten und Wirtschaftsspionen zwischen Elbe und Weser, muß demnächst in Merkels Auftrag die Tätigkeit von Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst überwachen und auch dafür sorgen, daß sich die etwas divenhaften Organisationen nicht in die Quere kommen. Branchenunüblich hält sich der zweifache Vater und Jaguar-Fahrer über seine Biographie nicht gerade bedeckt. Vor seiner Karriere als Jurist im Staatsdienst hat Heiß Musik studiert und als Klavierlehrer – welch putzige Anekdote – die Tochter des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht unterrichtet, seine jetzige Kabinettskollegin Ursula von der Leyen.

Als er vor drei Jahren Amtschef in Hannover wurde, beendete der gebürtige Helmstedter die Lichtscheue der Schlapphüte, indem er ein Referat für Öffentlichkeitsarbeit schuf. Landauf, landab schickte er seine Untergebenen in die Kommunen, vor allem dorthin, wo die NPD in Räte und Kreistage drängte. So sollten die Abgeordneten der anderen Parteien für den Umgang mit den unerwünschten Neulingen geschult und „sensibilisiert“ werden, entsprechende Auffälligkeiten zu melden. Das Niveau solcher Behörden-Kränzchen bezeichnete manch Augen- und Ohrenzeuge als „unterirdisch“.

Während im Sommer dieses Jahres die Einwohner von Faßberg bei Celle mit einer Mahnwache dagegen protestierten, daß der mittlerweile verstorbene Rechtsextremist Jürgen Rieger ein leerstehendes Landgasthaus kaufen wollte, kam Heiß höchstpersönlich in den kleinen Heideort, um „das bürgerliche Engagement gegen den Rechtsextremismus“ zu loben; und das, obwohl er noch kurz zuvor geäußert hatte, Riegers Immobilien-Bummel durch Niedersachsen sei wohl in erster Linie ein Bluff. Weit zuvorkommender behandelte Heiß die Linkspartei, immerhin Beobachtungsobjekt seiner Behörde: Die Mitglieder ihrer Landtagsfraktion empfing er zu einem Besuch, der laut Aussage der Abgeordneten „informativ“ gewesen sei.

Auf dem neuen Posten dürfte es auf keinen Fall schaden, wenn Günter Heiß in nächster Zeit nicht nur Piano spielen, sondern sich auch piano verhalten würde. Das Dirigieren der Dienste könnte den erfahrenen Bürokraten sonst an zwei Zuständigkeiten am Beginn seiner ministeriellen Laufbahn erinnern: Glücksspiel und Katastrophenschutz.

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