© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/09 11. Dezember 2009

Streit um grundsätzliche Dinge
Steuerdebatte: Hinter den Widerständen gegen die von der Koalition geplanten Steuerentlastungen steht die Angst der Umverteilungs-Politiker vor dem Machtverlust
Paul Rosen

Für Geld, das wissen altgediente Föderalisten schon lange, bekommt man im Bundesrat an der Leipziger Straße in Berlin fast alles, vor allem aber mehrheitliche Zustimmung zu Vorhaben der Bundesregierung.

Offiziell heißt es zwar im aktuellen Streit um das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, man könne die durch eine Steuerentlastung entstehenden Ausfälle in den Haushalten der Länder nicht verkraften. Darüber jammert im Zusammenhang mit diesem Gesetz besonders der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Der CDU-Politiker drohte intern damit, das Prestigeprojekt der schwarz-gelben Koalition, mit dem das Kindergeld um 20 Euro im Monat erhöht, Belastungen der Wirtschaft wieder rückgängig gemacht  sowie sozialistische Gleichmacherei im Erbschaftssteuerrecht beseitigt werden sollen, im Bundesrat zu stoppen. Sogar von Rücktritt war die Rede.

Gegen das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat sich eine breite Front aufgebaut, die von der Linkspartei bis tief in das CDU-Lager reicht und weniger mit den Steuerausfällen für die chronisch leeren Staatskassen zu tun hat. Es geht auch nicht so sehr darum, Bundeskanzlerin Angela Merkel durch die gerne ihr eigenes Süppchen kochenden CDU-Landesfürsten vorzuführen und gleich mit ihrem ersten ehrgeizigen Projekt in der neuen Koalition scheitern zu lassen.

Der FDP-Finanzpolitiker Carl-Ludwig Thiele hat im Bundestag auf einen merkwürdigen Zusammenhang hingewiesen: Gegen das ebenfalls am 1. Januar 2010 in Kraft tretende „Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung“, das aufgrund eines Regierung und Parlament verpflichtenden Verfassungsgerichtsurteils zehn Milliarden Euro Steuerentlastung bringt, regte sich unter den Ländern kein Widerstand. Aber beim zweiten Gesetz kochen einige Politikerseelen.

Das läßt den Verdacht aufkommen, daß vielleicht grundsätzliche Dinge hintergründig im Spiel sind, zum Beispiel die Frage, ob der bis in die tiefsten Winkel des Lebens hineinregierende Staat dem Bürger erlauben will, über 20 Euro mehr Kindergeld im Monat frei zu verfügen, ohne bei einem Hartz-IV-Amt einen Antrag auf Genehmigung eines Zuschusses zum Lebensunterhalt stellen zu müssen.

Noch schlimmer aus Sicht von sozialistischen Umverteilern ist die Erhöhung des Kinderfreibetrags bei der Einkommensteuer. Polemisiert wird dagegen, daß Besserverdienende angeblich stärker entlastet werden als Durchschnittsverdiener. In Wirklichkeit sind die deutschen Umverteilungs-Politiker entsetzt, daß im Fall der Freibeträge ein paar Euro direkt steuerfrei ausgezahlt  und nicht zunächst vom Finanzamt einkassiert und danach über ein Kindergeld-Antragsverfahren mit regelmäßiger Nachprüfung zurücküberwiesen werden.

Auch bei der Erbschaftsteuer geht es weniger um Lohnsummenregelungen für vererbte Handwerksbetriebe, sondern um eine Gretchenfrage: Was ist die Familie noch wert? Die in dieser Hinsicht konservativen Finanzpolitiker der Union – und die der FDP ohnehin – beseitigten die auf Druck der SPD erst vor einem Jahr eingeführte Bestimmung, wonach erbende Geschwister genausoviel Erbschaftsteuer zahlen müssen wie familienfremde Dritte.

Welche familienpolitische Dimension das Erbschaftsteuerrecht annehmen kann, zeigen die Diskussionsbeiträge von SPD, Linkspartei und Grünen: Danach sind Geschwister egal, während in einer gesetzlich inzwischen anerkannten Partnerschaft lebende Homosexuelle den erbenden Ehegatten gleichgestellt werden sollen.

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz kostet 8,5 Milliarden Euro, eine kleine Steuerreform, die sich ab 2011 anschließen soll, soll 24 Milliarden Euro kosten. Bei 950 Milliarden Euro jährlichen Gesamtsteuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden müßte sich diese Summe noch verkraften lassen, zumal es eine Faustregel gibt: Jeder Euro Steuern, der den Bürgern erlassen wird, weckt Wachstumskräfte und führt zu zusätzlichen Steuereinnahmen.

Dennoch sind die Widerstände immens. Von Sachverständigen bis hin zu Gewerkschaften warnen dieselben Leute vor Steuersenkungen auf Pump, die gegen Konjunkturprogramme in dreistelliger Milliardenhöhe auf Pump nichts einzuwenden hatten.

Der aktuelle Steuerstreit zeigt den Zustand der neuen Koalition auf. Die FDP ist standfest, aber zu klein. Aber durch die Union zieht sich ein Riß: Auf der einen Seite steht ein schwächer werdender Flügel mit Politikern, die Begriffe wie Freiheit und Familie noch ernst nehmen – auf der anderen Seite eine immer stärker werdende Umverteilungsfraktion, die letzten Ende der Linken in Deutschland in die Hände spielt.

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