© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/09 11. Dezember 2009

Löwenthal ist für mich ein Vorbild
Auszüge aus der Dankesrede von Helmut Matthies auf die Laudatio von Kirchenrat Rolf Sauerzapf

Ich habe Probleme damit, einen Preis für mich persönlich anzunehmen, weil mir ein negatives Beispiel aus dem Neuen Testament vor Augen steht. Da greift Jesus die Pharisäer an, weil sie sich mit Ehrungen überhäufen lassen, und sagt ihnen: „Ihr habt schon euren Lohn gehabt.“ Da komme also im Himmel nichts mehr. Das hat mir immer zu denken gegeben. Und so kann ich als Journalist völlig neidlos Veranstaltungen verfolgen, bei denen Preise verteilt werden. Ich freue mich auf den Himmel!

Heute – mit der Annahme des Gerhard-Löwenthal-Ehrenpreises – habe ich eine Ausnahme gemacht, weil mir eigentlich auch gar nichts anderes übrigblieb. Der Grund: Ich habe mehrere Freunde – in diesem Fall alles konservative Leute – gefragt, was sie über diese Auszeichnung denken. So gut wie keiner riet mir dazu, sie anzunehmen. Und da wußte ich: Jetzt muß ich Ja sagen, sonst hätte ich mich als feiger Versager gefühlt, besonders gegenüber dem Namensträger des Preises.

Gerhard Löwenthal ist für mich seit meiner Jugend ein Vorbild an Mut und Zivilcourage gewesen. Für die wenigen konservativen Studenten nach der 68er Studentenrebellion im Westen war der Mittwochabend mit dem ZDF-Magazin immer so etwas wie ein politischer Vitaminstoß. Danach ging man aufrechter, hatte doch einer gewagt, dem Zeitgeist zu widerstehen. Und es war dann ein Höhepunkt meiner Studienzeit, daß Gerhard Löwenthal sogar unserer kleinen christlichen Studentengruppe an der Hamburger Universität geholfen hat.

Damals waren leider viele Evangelische Studentengemeinden (ESG) zu marxistischen geworden: von der ESG zur MSG. Besonders schlimm war es in den siebziger Jahren in Hamburg. Wir wollten von der Studentenmission in Deutschland (SMD) mittags im kirchlichen Zentrum an der Universität eine Andacht anbieten. Nachdem wir gehört hatten, daß die Kapelle des Martin-Luther-King-Haus genannten Zentrums zu einer Abstellkammer umfunktioniert worden war, bat ich den Pfarrer der ESG, sie nutzen zu dürfen. Es wurde uns auch erlaubt. Da nun in der Kapelle kein Kreuz hing, brachten wir ein Holzkreuz an. Doch es wurde abgehängt mit der Begründung, ein Kreuz sollte im Martin-Luther-King-Haus nicht hängen. Proteste halfen nicht. In dieser völlig absurden Situation rief ich 1974 in Mainz beim ZDF-Magazin an, und Gerhard Löwenthal ließ tatsächlich einen kurzen Film über den Skandal drehen. Die Sendung trug dann dazu bei, daß im Kirchenzentrum wieder ein Kreuz hängen durfte. Das waren also noch Zeiten, als ein Jude wie Löwenthal in einem evangelischen Zentrum für ein Kreuz sorgte!

Es ist dann für mich eine große Ehre gewesen, zu seinem 75. Geburtstag ein langes Interview mit ihm – dem laut Stasi-Akten „Staatsfeind Nr. eins“ für die DDR – führen zu können. Unvergessen sind für mich auch die Treffen der Organisation „Hilferufe von drüben“, bei denen in der DDR einst Verfolgte berichteten, wie sie nach ihrer Erwähnung in Sendungen von Löwenthal Erleichterung erhielten oder gar freikamen. Wenn das ZDF tatsächlich couragiert wäre, müßte es aufgrund der zahllosen Verdienste Gerhard Löwen­thals um die Menschen im wiedervereinigten Deutschland sein Sendezentrum nach ihm benennen.

„ZDF müßte seine Zentrale nach Löwenthal benennen“ 

Liebe Frau von Schrenck-Notzing, ich möchte auch Ihnen danken für das, was Sie mit Ihrem Ehemann über viele Jahrzehnte für einen beispielhaften Einsatz für konservative Intellektuelle erbracht haben. Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Besuch in den achtziger Jahren im Büro Ihres Mannes in München, als wir die Idee besprachen, daß sich mindestens zur Frankfurter Buchmesse konservative Publizisten treffen sollten. Dank Ihres Einsatzes und Ihrer Großzügigkeit wurde das dann viele Jahre möglich, so daßein Netzwerk entstand, das bis heute Früchte trägt.

Lieber Herr Stein, Sie haben die JUNGE FREIHEIT in den letzten Jahren zu einem der besten konservativen Blätter entwickelt. Natürlich sagt mir nicht alles zu. Aber das könnte man auch von anderen Zeitungen, ja auch von dem Blatt sagen, das ich entwickeln durfte: das evangelische Wochenmagazin idea-Spektrum.

Sie erfahren bis heute, was wir bei idea in den ersten 25 Jahren auch erlebt haben: Verachtung und Verleumdung und das sich leider nur langsame Durchsetzen von Qualität. Aber Sie spüren ja, daß es geht. Ihre Zeitung gehört zu den ganz wenigen mit einer steigenden Auflage selbst in der gegenwärtigen Medienkrise. (...) „Nicht wegtreten, sondern auftreten“, sollte die Parole in einer Welt sein, in der mir Feigheit die derzeit größte Schwäche scheint. Doch wie überwindet man Feigheit? (...) Helmut Thielicke hat uns Studenten in den Wehen der 68er-Auseinandersetzungen eingeschärft: „Wann immer ihr in Gefahr seid, euch in falscher Weise anzupassen, bedenkt das Ende: Daß ihr euch einmal vor Gott verantworten müßt für alles, was ihr getan, aber auch unterlassen habt.“

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