© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/09 11. Dezember 2009

Frisch gepresst

Faschismus. Es gibt, so der zum Thema einschlägig ausgewiesene Göttinger Historiker Karlheinz Weißmann, Prä-, Post-, Radikal-, Anti-, Links-, Liberal- und Rechts-Faschisten (Faschismus. Eine Klarstellung, Edition Antaios, Schnellroda 2009, broschiert, 64 Seiten, 8 Euro). Vergessen wurden die „beschissenen Faschisten“, die der Ex-Hausbesetzer und nun am gefüllten Trog des einst so gehaßten „Schweinesystems“ angekommene Künstler Daniel Richter neulich in der Welt am Sonntag (29. November) entdeckt hat. Diese neue Spezies definiert Richter so wie „linke Antisemiten“ – als „Vollidioten“. Da geht es bei Weißmann schon um einiges filigraner zu. Als „Klarstellung“ dürfte es bei simplen Gemütern und „linken Hamburgern“ wie Richter allerdings kaum ankommen, wenn der Kenner des „nationalen Sozialismus“ vorschlägt, eine „afaschistische Perspektive“ einzunehmen, um sich von allen ideologischen Vorgaben endlich zu befreien. Vielmehr steuert Weißmann eine für Richter und Genossen unaushaltbare Komplexität an. Nur mit Übersprungshandlungen könnten jene Kreise daher auf lässig eingestreute Angaben reagieren, denen zufolge die ersten Toten unter Mussolinis Anhängern Mitglieder der jüdischen Gemeinde waren, 200 Juden am „Marsch auf Rom“ teilnahmen und zehn Prozent der italienischen Juden der faschistischen Partei angehörten.

 

Auslandsorganisation. Bei den großen wie den kleinen Arbeitern im Weinberg der Vergangenheitsbewältigung sind eigene oder familiäre „Verstrickungen“ in der Regel der Ausgangspunkt für eine mitunter lebenslange „Auseinandersetzung“ mit der NS-Zeit. Das Spektrum reicht hier bekanntlich von Richard von Weizsäcker bis zu Jan Philipp Reemtsma, vom Spät-Parteigenonnen Walter Jens bis zu dem Zeithistoriker Fritz Fischer. Zu diesem Personal zählt auch der inzwischen emeritierte Freiburger Romanist Frank-Rutger Hausmann, der in den letzten zwanzig Jahren ohn‘ Unterlaß über die Geisteswissenschaften im Zeichen des Sonnenrades schrieb. Intern war längst bekannt, daß „der Frank-Rutger“ damit auch familiäre „Trauerarbeit“ leistete. Dies legt er jedoch jetzt erst, in seiner Biographie Ernst-Wilhelm Bohles, des für die Auslandsdeutschen zuständigen höchsten NS-Funktionärs (Gauleiter im Dienst von Partei und Staat, Duncker&Humblot, Berlin 2009, 299 Seiten, Abbildungen, 38 Euro) offen, denn Familie Hausmann ist mit Familie Bohle recht eng verwandt. Abgesehen von diesem Bekenntnis bietet die aktengestützte, lobenswert solide, gut geschriebene Biographie aber leider wenig Neues. Über Bohle, den liberalen, höflichen, gar nicht bonzenartigen „Gentleman-Gauleiter“, erfahren wir kaum mehr als das, was Hans-Adolf Jacobsen 1968 aus den Akten über das außenpolitische Hauen und Stechen in der NS-Polykratie zutage gefördert hat.

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