© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/09-53/09 18./25. Dezember 2009

Alle Rhetorik eines Konsenses ist rein taktischer Natur
Der österreichische Politikwissenschaftler Ernst Hofbauer kritisiert den christlich-islamischen Dialog als einseitig und nicht konstruktiv
Klaus Motschmann

Im kollektiven Bewußtsein der Völker spielen Vorurteile bekanntlich eine wichtige Rolle – dies vor allem dann, wenn sie sich im Laufe von Jahrhunderten gebildet haben und durch immer neue zeitgeschichtliche Erfahrungen bestätigt werden. Aktuelle Beispiele können den Auseinandersetzungen mit dem Islam entnommen werden. Dazu gehört vor allem die Vorstellung eines geschlossenen Systems, das auf gewaltsame Ausbreitung über die eigenen Grenzen hinaus durch „Feuer und Schwert“ charakterisiert wird. Dabei wird übersehen, daß auch der Islam in verschiedene Glaubensrichtungen gespalten ist, wie Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Ernst Hofbauer in seiner Analyse des Islam in Österreich feststellt. Er präsentiert sich als ein breites Spektrum von „gewaltbereiten Fanatikern über unpolitische Fromme bis hin zu Kultur-Muslimen, die ihren Glauben kaum noch praktizieren“.

Sorgfältige Differenzierung ist im Interesse einer sachlichen Auseinandersetzung also dringend geboten. Es ist sicher richtig, daß die Mehrheit der Muslime in Österreich und Deutschland den Terror islamistischer Fanatiker eindeutig ablehnt und um ein friedliches Zusammenleben in und mit der sogenannten Mehrheitsgesellschaft in Europa bemüht ist.

Diese Feststellung entbindet allerdings nicht von der Frage, ob dieses Verhalten einer großen Mehrheit in Europa lebender Moslems tatsächlich Ausdruck einer authentischen religiösen Überzeugung ist – oder aber das Gebot der Taquiya. Es handelt sich dabei um einen Verhaltenskodex der taktischen Anpassung an die Lebensformen und Wertvorstellungen ihrer gesellschaftlichen Umwelt in der Absicht der Täuschung über die tatsächlichen langfristigen strategischen Absichten des Islam. Dazu gehört vor allem die demonstrative Beachtung vermeintlicher Gemeinsamkeiten und die Hintanstellung aller offenkundigen qualitativen Unterschiede, die Zweifel an einer echten Integrationsabsicht der islamischen Seite aufkommen lassen.

Nun wissen wir spätestens seit Platon, daß das Wesentliche eines Problems nicht durch die Aufzählung von „Gemeinsamkeiten“ erfaßt wird, sondern nur durch die sorgfältige Beachtung der qualitativen Unterschiede. Es kommt also auf die Fähigkeit an, „die Ähnlichkeiten der Dinge und ihre Unähnlichkeiten genau auseinanderzuhalten“.

Diese Fähigkeit ist in maßgebenden Intellektuellenkreisen Europas trotz der intensiven Auseinandersetzung mit dem Islam nur unzureichend entwickelt. Deshalb kann der militante Islam relativ „friedlich“ in Europa vordringen. Nur so ist es möglich, daß die fanatischen Ideologen des Islam „einen Schleier eingelernter korrekter Begriffe über die wahren Verhältnisse ausbreiten konnten, der von Ausdrücken aus dem Wörterbuch der Aufklärung strotzt“. Es ist die Rede, „von Integration, von gegenseitigem Verständnis, Respekt, Akzeptanz, Kennenlernen und Kulturaustausch“. Für europäische Intellektuelle verfehlen derartige Begriffe noch immer nicht ihre beabsichtigte Wirkung der „wörtlichen Betäubung“. Man fühlt sich an die unheilvolle Rolle der sogenannten „nützlichen Idioten“ im Kalten Krieg erinnert.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Hofbauer wendet sich keinesfalls grundsätzlich gegen einen Dialog mit dem Islam. Er hat ihn selber mit maßgebenden Repräsentanten der verschiedenen Glaubensrichtungen des Islam geführt und sich ein zuverlässiges Bild der tatsächlichen Probleme verschafft, das er uns im vorliegenden Buch vermittelt. Nur: Es muß ein wirklicher Dialog sein, der auf Klärung der vielfältigen Probleme abzielt – und nicht auf deren Verklärung. Was ist von einem „Dialog“ zu halten, in dem jede abweichende oder gar widersprüchliche Meinung zu diesem Thema als Indiz für eine „rassistische“, „fremdenfeindliche“ oder „faschistische“ Gesinnung denunziert werden kann? „Der interreligiöse und interkulturelle Dialog mit dem Islam ist deshalb sterbenslangweilig. Denn die wichtigsten Fragen – Menschenrechte, Glaubens- und Meinungsfreiheit, Gleichheit der Geschlechter, Zwangsehen, Genitalverstümmelung und, nicht zuletzt, Antisemitismus“ sind nicht verhandelbar, weder für die westlichen aufgeklärten Staaten noch für die islamischen Fundamentalisten.

Hofbauer weist an einer Fülle von teilweise „drolligen Begebenheiten“ aus dem Alltag nach, daß sich eine große Mehrheit von Muslimen trotz aller „Dialoge“ und „zeremoniellen Umarmungen“ an den eigenen Moral- und Ordnungsvorstellungen orientiert, gemäß der verbreiteten Redensart „Inschallah“ – so Allah will.

Ernst Hofbauer: Inschallah Österreich. Das unheimliche Paradies. Universitas Verlag, Wien 2009, gebunden, 333 Seiten, 22 Euro

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