© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  01/10 01. Januar 2010

Kein Aufschwung
Jahresausblick 2010: Das „Schuldenbeschleunigungsgesetz“ wird greifen
Bernd-Thomas Ramb

Kurzfristige volkswirtschaftliche Prognosen sind immer riskant – niemand kann die irrationalen Spontanmaßnahmen der Politik vorausahnen. Eine Vorhersage zur wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands im Jahre 2010 unterliegt dieser Einschränkung im besonderen Maße, wie gerade das vergangene Jahr treffend beweist. Autoabwrackprämien, großzügige Kurzarbeitsregelungen und gönnerhafte Bankenabsicherungen waren vor Jahren in diesen wahnsinnigen Größenordnungen unvorstellbar.

Plötzlich spielt Geld keine Rolle mehr – und scheinbar auch nicht die parteipolitische Zusammensetzung der Regierung. Auch in diesem Jahr stehen einige kostspielige Wohltaten bereits jetzt schon fest. Mit dem „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ wird euphemistisch im dunklen Wald der drohenden Wirtschaftsrezession gepfiffen. Der Begriff „Beschleunigung“ vermittelt das Gefühl, die Regierung meint, es muß schnellstmöglich etwas passieren – egal was, aber das mit Vollgas.

Die tatsächliche Wirkung der hastig zusammengeschusterten Finanz- und Wirtschaftspolitik läßt sich sowenig abse-hen, wie die schwarz-gelbe Koalition nicht mehr zwischen wohlgemeint und wohlwissend unterscheiden will. Das Beispiel der beschlossenen Kindergelderhöhung sei stellvertretend herangezogen.

Wie wiederholt empirisch festgestellt, führen höhere Zahlungen nicht zu einer höheren Geburtenrate. Und selbst wenn: Wer aus Geldgründen Kinder in die Welt setzt, erwirtschaftet in der Regel nur ein geringes Einkommen aus eigener Arbeitsleistung und sieht sich mit den steigenden Transfereinkommen immer weniger gezwungen, seine Produktivität zu steigern.

Die mindere Produktivität im wirtschaftlichen Bereich „vererbt“ sich weitgehend, so daß sich dieses Problem in den Folgegenerationen fortsetzt. Einen ähnlichen Effekt verursachen überzogene und langfristige „Vergütungen“ der Arbeitslosigkeit. Diese nüchternen ökonomischen Tatbestände mögen sozialen Wohltätern kaltherzig erscheinen, sind aber nicht zu leugnende wirtschaftliche Realität mit langfristiger Wirkung.

Der unmittelbare volkswirtschaftliche Effekt der Kindergelderhöhung ist eine monetäre Vergrößerung der Konsumnachfrage. Die kinderreichen Familien werden das zusätzliche Geld nicht sparen, und sie werden es kaum für Investitionen, sondern für Konsumgüter ausgeben – hoffentlich für ihre Kinder. Ähnliches gilt im übrigen auch für die verlängerte Gewährung von Kurzarbeitergeld.

Im Hinterkopf der Regierung geistert wie immer die Vorstellung von der Machbarkeit nachfrageorientierter Konjunktursteuerung. Die verstärkte Nachfrage soll eine höhere Produktion bewirken, die wiederum zu verstärkten Investitionen der Unternehmen und vor allem zur Ausweitung der Beschäftigung führt. Wenn aber, wie in der aktuellen deutschen Wirtschaftslage, die Unternehmen dem regierungsamtlich gesteuerten Wirtschaftsaufschwung nicht trauen, führt mehr Geldeinsatz nur zu höheren Preisen. Das staatliche Konjunkturprogramm versandet. Es droht, wie in den 1970er Jahren, eine stagnierende Wirtschaft mit gleichzeitiger Inflation, eine „Stagflation“.

Die Stagnationstendenz wird zusätzlich durch die Verknappung der Unternehmenskredite verstärkt. Eine Besserung ist auch 2010 nicht in Sicht. Zwar bietet die Europäische Zentralbank den Geschäftsbanken (noch) eine Refinanzierung zu Schleuderpreisen an, die Banken scheuen sich jedoch, diesen Zinssatz an die Unternehmen weiterzugeben.

Die Angst vor Totalverlusten durch Firmenpleiten ist zu groß, und der Staat, der für seine Neuschulden dringend Gläubiger sucht, bietet den Banken sichere und höhere Zinszahlungen. Andererseits war die Inflationsgefahr angesichts der allgemeinen Wirtschaftslähmung im letzten Jahr zwar noch weitgehend gebannt. Sobald die staatliche Ausgabenausweitung voll wirksam wird, können steigende Inflationserwartungen in Verbindung mit dem Einsatz gehorteter Geldvermögen sogar zur Hyperinflation führen.

Alles in allem sind die Aussichten für 2010 noch weniger rosig, als die Bundeskanzlerin bereits vorsichtshalber auf dem letzten Unternehmertag andeutete („Wir bewegen uns auf extrem labilem Grund“). Mit dem Wirtschaftsbeschleunigungsgesetz drehen die Räder auf spiegelglatter Fahrbahn durch. Der versierte Autofahrer weiß, daß damit das Fahrzeug nur seitlich abdriftet und die Reifen verschlissen werden.

Im Klartext: Deutschland hat in diesem Jahr keinen Wirtsaufschwung zu erwarten, sondern noch mehr Firmenpleiten, steigende Arbeitslosigkeit, steigende Staatsausgaben für nichtproduzierende Bevölkerungsteile und in der Folge steigende Preise – und steigende Zinsen.

Mit konkreten Zahlen läßt sich das nicht beziffern, dazu ist die aktionistische Wirtschaftspolitik der deutschen Regierung zu unberechenbar. Genau voraussagen läßt sich daher noch nicht einmal die Neuverschuldung des Staates. Die Plandaten der Bundesregierung mit über 100 Milliarden Euro können nur als untere Grenze angesehen werden. Sicher ist nur: die Staatsschulden steigen noch schneller. Richtiger wäre es daher, vom Jahr des „Schuldenbeschleunigungsgesetzes“ zu sprechen.

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