© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  01/10 01. Januar 2010

Wenn selbst der Schiri auf die Ethik pfeift
Der Philosoph Peter Koslowski läßt in seiner Analyse der Ethik der Banken in der Finanzkrise leider die Rolle des Staates als „Sittenwächter“ außer acht
Wolfgang Philipp

Mit seinem Buch „Ethik der Banken“ versucht der Philosophie-Professor Peter Koslowski, „Folgerungen aus der Finanzkrise“ zu ziehen. Zu bewundern ist zunächst sein Mut, „Ethik“ überhaupt noch mit der Institution „Bank“ in Verbindung zu bringen. Wer verinnerlicht hat, was Banken der Welt im Großen und Kleinen angetan haben, hat hier seine Schwierigkeiten, doch gibt es ja Ausnahmen.

Zwar ist der Versuch zu loben, die Gebote der Bibel den Banken zu übersetzen und sie zu ethischem Verhalten aufzufordern, doch macht es der Autor dem Leser nicht leicht. Eine Kostprobe seiner Formulierungskunst: „Auch die Berücksichtigung der Umwelt- und Sozialbilanz des Unternehmens in der Bilanzierung gemäß der triple-bottom line-Bilanzierung nach Economic Performance Indicators, Environmental Performance Indicators und Social Performance Indicators bewirkt eine größere Inklusion ethischer Kriterien und der Corporate Social Responsibility in der Gesamtbewertung des Unternehmenserfolges.“

Die „rein ökonomische Ökonomie der Finanzwirtschaft“ ist an ihrem Ende angelangt und muß durch eine „ethische Ökonomie“ ersetzt werden. Angesprochen wird etwa Ethik der Banken, der Finanzmärkte für Kredit, der Kapitalunternehmenskontrolle und der Derivate. Es bleiben allerdings Fragen offen. Die Finanzwirtschaft ist wie ein Fußballspiel: Sie braucht Regeln und zu deren Überwachung den Staat als Schiedsrichter. Der hat aber in Deutschland total versagt. Diejenigen Geschäfte, welche die Krise herbeigeführt haben (Stichworte: Zweckgesellschaften, Verbriefungen, Asset-Backed Securities, Verwässerung der Eigenkapitalbasis der Banken), wurden von den Regierungen Schröder und Merkel mit allen Kräften gefördert. So stand es als Staatsaufgabe bei letzterer im Koalitionsvertrag und wurde bei den vom Staat abhängigen Banken in Bund und Ländern durchgesetzt.

Zwei Drittel aller Schäden in Deutschland sind hier entstanden, die öffentlichen Haushalte ruiniert. Dieser von der Presse ignorierte Sachverhalt ist auch dem Autor entgangen. So kommt er nicht zu der Frage, ob Banken etwa auch dann „unethisch“ handeln, wenn sie sich im Einklang mit der Regierung befinden und deren „Finanzmarktpolitik“ umzusetzen helfen. Auch Regierungen können allerdings „unethisch“ handeln. Die Kumpanei mit dem Staat ging nach Offenbarwerden der „Krise“ weiter: Statt persönlicher Bestrafung, Insolvenz, Wirkenlassen der Marktkräfte flossen Milliarden aus dem Staatshaushalt an die Banken. Ansatz für einen „ethischen Lernprozeß“ ist das nicht.

In der Sache geht der Autor von einem Gegensatz zwischen dem „Kapitalmarkt“ einerseits und dem „Kreditmarkt“ andererseits aus. Diesen Gegensatz gibt es aber nicht. Das Gegenstück zum Kapitalmarkt ist der Geldmarkt, ein Begriff, den man vergebens sucht. Der „Kreditmarkt“ umfaßt kurz- und langfristige Kredite. Langfristige Kredite sind – wie etwa die Pfandbriefe – Teil des Kapitalmarkts. Der Punkt ist wesentlich, denn der Kern der Krise bestand darin, daß weltweit versucht wurde, kurzfristige Geldmarktmittel in den Kapitalmarkt zu transferieren und dort langfristig anzulegen. Daß das nicht geht, ist eine banktechnische Binsenweisheit und ein Verstoß gegen die „goldene Bankregel“.

Mit Akribie werden Erscheinungsformen der Finanzmärkte dargestellt und auf ihren ethischen Gehalt bzw. auf durch sie ausgelöste ethische Forderungen untersucht. So ist es „unethisch“, sich nicht an die institutionellen Regeln der Kreditvergabe zu halten, die Mindestreservepflicht nicht zu beachten und durch den Verkauf synthetischer „Collateralized Debt Obligation“ (CDO) über die durch die Mindestreserve gesetzte Grenze hinauszugehen. Aus „Sicht einer ethischen Ökonomie“ ist es nicht vertretbar, „Verbriefungen vorzunehmen, die nicht verstanden werden und dadurch zu großem Schaden führen“. Dem ist nicht zu widersprechen. Das gleiche gilt für die Formulierung, der wirksamste Weg aus der Krise sei „derjenige, bei den Akteuren der Finanzinstitutionen und der Finanzmärkte das Bewußtsein zu schaffen, daß die Finanzwirtschaft nicht nur eine Spielwiese für ‘Finanzgenies’ und Spekulanten ist, sondern daß Banken, Börse und Finanzberater eine Dienstfunktion haben“. Das ist schön formuliert, im Grunde aber doch eher ein Gemeinplatz, auf den man auch außerhalb der Höhen philosophischen Denkens kommen könnte. Früher reichte für solche Einsichten eine gute Kinderstube.

Alles in allem wird man durch intensive Lektüre dieses Buches auf dem Gebiet der Finanzmärkte „gescheiter“. Ein Leitfaden für durchschlagende, die Verhältnisse schnell bessernde Maßnahmen ist es eher nicht: Es wird die „Richtigen“ kaum erreichen. Oder doch? Soeben hat der frühere Chef der Dresdner Bank, Herbert Walter, in einem Interview mit der Zeitschrift Focus Money zugegeben: „Wir haben klar versagt!“ Konkreter: „Es war immer klar, daß die Party nicht ewig weiterläuft und daß es gefährlich wird, wenn der Kreislauf einmal stockt.“ Das ist sicher im Sinne von Koslowski: „Rückkehr zur Ethik“.

Peter Koslowski: Ethik der Banken. Folgerungen aus der Finanzkrise. Wilhelm Fink Verlag, München 2009, broschiert, 274 Seiten, 22,90 Euro

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