© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  01/10 01. Januar 2010

TV-Vorschau 2010: Helmut Kohl, die rechtsextreme DNS und der Fall „Laconia“
Soviel Jahrestag war nie
Christian Dorn

Soviel Jahrestag war nie. Wer glaubte, 2009 würde als Jahr der Jubiläen in die Geschichtsbücher eingehen, sieht sich beim Blick auf das TV-Programm 2010 getäuscht. Denn hier erwartet uns seitens der ARD ein Jubiläumsreigen selbstreferentieller Art. Dieser beginnt mit einem „Sturm der Liebe“ (WDR/ARD), dessen 1.000. Folge ansteht (26. Januar, 15.10 Uhr). Die Liebe ist so groß, daß im Anschluß gleich noch ein „Special mit den schönsten Momenten“ hinterhergeschickt wird. Allerdings wirkt das als Vorspiel, folgen doch im Frühjahr „60 Jahre ARD“. Dieser Anlaß wird mit einer Dokumentation, zwei Shows und vier Themennächten gefeiert (12.-17. April). Wer dies übersteht, ohne medial umnachtet zu werden, gewärtigt schon bald das Dezennium vom „Debüt im Ersten“ (Juni bis August). Diesem folgen 40 Jahre „Tatort“ (28. November), worauf sich 25 Jahre „Lindenstraße“ anschließen (Jubiläumsfolge Nr. 1.306, 12. Dezember). Unter dem Aspekt der Jahrestage wäre es das „fürs Erste“.

Doch auch außerhalb desselben gibt es Grund zu feiern, so für den Kanzler der Einheit, der am 3. April 2010 achtzig Jahre wird. Ob in dem SWR-Film „Helmut Kohl – Ein Kämpfer wird 80“ (Ausstrahlung Ende März) endlich mal der vielzitierte „Rucksack“ der Deutschen gezeigt wird? Eine andere Frage – nach dem Verbleib der GEZ-Gebühren – beantworten wenigstens teilweise die Filmproduktionen der ARD-Tochterfirma Degeto, die bei dem hoffnungslosen Versuch, Hollywood zu spielen, Unsummen verschlingt. Dies zeigt sich sogleich bei der „Gier“ (Arte, 15. Januar, ab 20.15 Uhr sowie ARD, 20./21. Januar, jeweils 20.15 Uhr). In dem „Finanzthriller“ von Dieter Wedel steht mit Ulrich Tukur, Uwe Ochsenknecht, Devid Striesow und Heinz Hoenig ein erstklassiges Ensemble vor der Kamera.

Einer Co-Produktion zwischen ARD, SWR und BBC verdankt sich der Zweiteiler „Laconia“ mit Ken Duken, Franka Potente und Jan Josef Liefers (Ausstrahlung Ende 2010). Er handelt von einer der größten Schiffskatastrophen des Zweiten Weltkriegs. Das britische Passagierschiff, zugleich Truppen- und Gefangenentransporter, war im September 1942 vom deutschen U-Boot 156 versenkt worden. Die sich anschließende Rettungsaktion für die überlebenden etwa 1.600 Schiffbrüchigen – veranlaßt vom deutschen U-Boot-Kommandanten, Korvettenkapitän Werner Hartenstein – beantworteten die Alliierten mit einem Angriff, dem 1.649 Menschen zum Opfer fielen.

Die Opfer von Stefan Raab dagegen sind ungezählt – wer ihn mal richtig schlagen wird, ist noch nicht ausgemacht. Für 2010 sind sechs Shows geplant. Fest steht dagegen, daß sein Haussender Pro7 in der Reihe „Funny Movies“ erneut vier Film-Klassiker „verrückt parodiert“ (Herbst 2010). Die wichtigsten Mimen dieses Schwachsinn-Spektakels sind Axel Stein, Wigald Boning und Christian Tramitz.

54, 74, 90, 2010, ja so stimmen wir alle ein ...

Pathos dagegen behauptet Sat.1, wo Alexandra Neldel – wie könnte es anders sein – „Die Wanderhure“ gibt. Ebenfalls verfilmt wurde Ken Follets Historiendrama „Säulen der Erde“ (beide Ausstrahlungstermine Herbst 2010). Bereits im Frühjahr beglückt uns der „Colour your life“-Sender mit dem hochkarätig besetzten Polit-Thriller „Die Grenze“, in dem unter anderem Benno Führmann, Thomas Kretschmann, Uwe Kockisch, Inka Friedrich und Katja Riemann mitwirken. Regisseur Roland Suso Richter entwirft in seinem „spektakulären Event-Zweiteiler“ ein fiktionales Gesellschaftspanorama, in dem die rechtsextreme Partei DNS die Abspaltung eines Bundeslandes fordert. Der Krisenstab der Bundesregierung sieht nur einen Ausweg: über den Verfassungsschutz den Spitzenkandidaten der linken Gegenpartei aufzubauen. Wir dürfen gespannt sein, ob auch diesmal ein hervorragendes Schauspieler-Ensemble durch ein groteskes Drehbuch mißbraucht wird.

Fraglos eine Neuigkeit ist dagegen das künftige Programmschema von Arte. Hier wird die Hauptsendezeit auf 20.15 Uhr vorverlegt. Dies ist ausgesprochen zuschauerfreundlich, so daß wir „Merci!“ rufen wollen. Zu den Höhepunkten zählt hier das Programm anläßlich der 60. Berlinale. Zum Jubiläum zeigt Arte in einer Live-Übertragung die Weltpremiere der Originalfassung von Fritz Langs „Metropolis“ (30 Minuten länger als die bekannte Fassung). Während hier noch das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin die Untermalung liefert, übernehmen im Juni die Sportfreunde Stiller die Mattscheibe: „54, 74, 90, 2010, ja so stimmen wir alle ein: Mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein werden wir Weltmeister sein.“

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