© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/10 08. Januar 2010

Klimawandel
Nicht so leicht zu beurteilen
von  Michael Wiesberg

Auf dem Forum der JF 50/09 („Kopenhagen darf kein Erfolg werden“) verwarf der frühere leitende FAZ-Redakteur und Journalist Klaus Peter Krause die These eines menschengemachten Weltklimawandels und wies auf die massenmanipulativen Möglichkeiten durch geschürte „Klimahysterie“ hin. Heute setzt sich Michael Wiesberg kritisch mit Krauses Argumenten auseinander: Menschliches Wirtschaften sei sehr wohl für die Klimaerwärmung mitverantwortlich, und Forscher, die den Klimawandel bezweifeln, würden im „Weltklimarat“ keineswegs ausgegrenzt.

 

Bei kaum einem Thema stoßen die Meinungen wohl gegensätzlicher aufeinander als bei der Frage, inwieweit die globale Erwärmung auf den Menschen beziehungsweise auf menschlich verursachte Kohlenstoffdioxid-Emissionen zurückgeführt werden kann. Das Gros der Klimaforscher hält diesen anthropogenen Einfluß für evident und kann hierfür auch eine Reihe von Argumenten ins Feld führen. Ebendiese Argumente haben mehr und mehr Politiker auf den Plan gerufen, die sich, siehe die gerade beendete Klimakonferenz in Kopenhagen, mit eher geringem Erfolg bemühen, Klimaschutzmaßnahmen möglichst global verbindlich zu machen. Diesen Klimaforschern steht eine wachsende, lautstarke Schar von „Klimaskeptikern“ gegenüber, die so ziemlich alles in Frage stellt, was als wissenschaftlicher Konsens im Hinblick auf die globale Erwärmung angesehen wird.

Einen Eindruck von deren Argumenten gab Klaus Peter Krause neulich an dieser Stelle (JF 50/09). Darin sprach er, wie andere „Klimaskeptiker“ auch, von einem „Kartell der geballten Interessen“, von „Klimaschwindel“, von dem Versuch, „den Menschen in den wohlhabenden Ländern eine drastische Senkung des Lebensstandards aufzuzwingen“ und von einer „De-Industrialisierung“, die durchgesetzt werden solle. Die Behauptung eines Klimawandels „durch anthropogenes CO2“ bezeichnet Krause schlicht als eine „Fiktion“ oder „Schimäre“. Um diese Behauptungen zu untermauern, wartet er mit einigen „Tatsachen“ auf, auf die unter anderem im folgenden eingegangen werden soll – wohlwissend, daß hiermit wiederum nur einige wenige Aspekte dieser überaus komplexen Diskussion angesprochen werden können. Derartige „Tatsachen“ verbreiten im übrigen auch andere „Klimaskeptiker“ wie zum Beispiel der notorische „Öko-Optimist“ Dirk Maxeiner oder der Ex-ZDF-„Wetterfrosch“ Wolfgang Thüne.

Eine immer wieder angeführte „Tatsache“ ist der verschwindend geringe Anteil von anthropogenem Kohlenstoffdioxid an der Atmosphäre, mittels dessen „Klimaskeptiker“ suggerieren, er sei so vernachlässigenswert, daß es nicht lohne, darüber überhaupt ein Wort zu verlieren. Festzuhalten bleibt, daß mit diesen Zahlen noch nichts über deren Bedeutung ausgesagt ist. In der Tat beträgt der Anteil von Kohlendioxid an der Atmosphäre nur zirka 0,04 Prozent. Davon entstammen etwa 95 Prozent aus natürlichen Quellen und sind damit Teil eines natürlichen Kohlenstoffkreislaufs. Dies ist der Grund für die relative Konstanz der CO2-Konzentration der Atmosphäre durch die Jahrtausende hindurch. Sie steigt merklich erst durch die zusätzliche Belastung mit Kohlendioxid aus fossilen Lagerstätten an, die großteils menschlich verursacht ist. Mit 388 ppm (parts per million) CO2 in der Luft haben wir heute den höchsten Gehalt seit etwa 2,1 Millionen Jahren. Der Anteil am CO2-Gehalt der Atmosphäre, der aus dem Verbrauch fossiler Brennstoffe herrührt, läßt sich deshalb so eindeutig bestimmen, weil dessen Isotopen-Zusammensetzung eine andere ist. Mit anderen Worten: Dem geschlossenen Kohlendioxidkreislauf werden Jahr für Jahr riesige Mengen an Kohlendioxid fossiler Herkunft hinzugefügt. Ein Teil davon landet im Ozean, was die CO2-Konzentration in den Ozeanen seit Jahren mit schwer kalkulierbaren Folgen erhöht.

Es sind die übergroßen Mengen an Kohlendioxid aus fossilen Quellen, die das Faß zum Überlaufen bringen, eben weil das hochsensible Klimasystem (die Betonung liegt hier auf „-system“) schon auf minimale Änderungen ganz empfindlich&nbsp reagiert.

Es sind diese Mengen an Kohlendioxid aus fossilen Quellen, die – bildlich gesprochen – das Faß zum Überlaufen bringen, eben weil das hochsensible Klimasystem (die Betonung liegt hier auf „-system“) schon auf minimale Änderungen empfindlich reagiert. Ergänzend sei angefügt, daß Wasserdampf zwar als wichtigstes Treibhausgas gilt, das im Zusammenspiel mit anderen Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan oder FCKW gehörig „einheizt“. Im Unterschied zu CO2 bleibt Wasserdampf aber nicht so lange in der Luft. Und genau das ist ein wichtiger Grund, weshalb Kohlendioxid als hauptsächlicher Motor der globalen Erwärmung angesehen wird und warum die überwältigende Zahl der Klimaforscher, die aktiv publizieren, der These zustimmt, daß menschlich verursachte Emissionen von Kohlendioxid zumindest teilweise für die Erwärmung der letzten Jahrzehnte verantwortlich gemacht werden müssen.

„Klimaskeptiker“ freilich überzeugt das nicht, sie verweisen auf den Einfluß der Sonne oder der kosmischen Strahlung auf das Erdklima und haben als neuen Gewährsmann unter anderem den dänischen Physiker Henrik Svensmark auf den Schild gehoben: Seiner These nach soll das zunehmende Magnetfeld der Sonne für den globalen Anstieg der Temperaturen verantwortlich sein. Svenmark ist der Meinung, daß die Intensität kosmischer Strahlung die Temperaturveränderungen des Erdklimas besser erklären könnte als andere Faktoren.

Michael Miersch, mit Maxeiner immer auf der Fahndung nach vermeintlichen „Öko-Irrtümern“, breitete diese Argumente vor kurzem in der Welt unter der Überschrift „Ein Physiker erschüttert die Klimatheorie“ aus. Miersch behauptet, daß Svenmark von den „führenden Köpfen des Weltklimarates IPCC“ (Intergovernmental Panel on Climate Change) „ausgegrenzt und diffamiert“ werde. Wie plausibel Svenmarks Erklärungsansatz ist oder nicht, kann hier nicht beurteilt werden. Allerdings soll darauf hingewiesen werden, daß viele Klimatologen diesem Ansatz Schwächen in der Beweisführung attestieren. Es gebe überdies Phänomene, die Svenmarks Modell nicht erklären könne. Dennoch finden sich genug Zeitgenossen, die der Meinung sind, daß das Problem globaler Erwärmung damit ad acta gelegt werden kann beziehungsweise der „Treibhausschwindel“ damit evident sei.

Diese Meinung sehen sie auch durch den jüngsten Datendiebstahl vom Computerserver des Klimaforschungsinstituts CRU der britischen University of East Anglia bestätigt, der Datenmanipulationen dort beschäftigter Wissenschaftler aufgedeckt haben soll. Aus dem öffentlich gewordenen E-Mail-Verkehr des CRU will man „herauslesen“ können, daß Gegner der These von einer globalen Erwärmung diskreditiert werden sollten, kritische Publikationen boykottiert und Daten mit „Tricks“ beschönigt worden sein sollen. Für so manchen „Klima­skeptiker“ ist damit erhärtet, daß Klimaforscher korrupt sind und bewußt „Panik“ verbreiten. Ihnen wird weiter unterstellt, im Zusammenspiel mit Medien und Politik vor allem darauf aus zu sein, als Propagandisten alternativer Technologien neue Forschungsgelder zu akquirieren.

Um hier nur auf den Verdacht einzugehen, daß „Analysen und Meinungen kritischer Wissenschaftler absichtsvoll unterdrückt“ (Krause) worden seien: Darauf antwortete der Berner Klimaforscher Thomas Stocker in der Neuen Züricher Zeitung (2. Dezember), es sei „ja gerade die Stärke des IPCC-Begutachtungsprozesses, daß nicht ein einzelner Forscher darüber entscheidet, was im nächsten Bericht steht und was nicht“, sondern „Autorenteams“. Danach erfolgt eine mehrstufige „externe Begutachtung durch Experten und Regierungen weltweit“. Zitiert werden sämtliche relevanten Daten zu einem Gebiet, eben auch „kritische“. Am dritten IPCC-Bericht zum Beispiel, so Stocker, sei der bekannte „Klimaskeptiker“ Richard Linzen (Massachusetts Institute of Technology) beteiligt gewesen, und zwar als „koordinierender Hauptautor“. In diesem Zusammenhang muß weiter darauf hingewiesen werden, daß die CRU-Daten nur einen Bruchteil jener Daten darstellen, auf die sich das IPCC beruft. Es gibt eine Unzahl anderer Forschungsergebnisse, die zu ähnlichen oder gleichlautenden Schlüssen gekommen sind.

Im Zuge der Diskussion um den CRU-Datenklau ist auch wieder die Diskussion um die Feststellung ausgebrochen, daß sich das Erdklima in der Zeit von etwa 1995 bis 2005 nicht weiter erwärmt hat. Aus einer „gehackten“ E-Mail soll hervorgehen, daß es für das Ausbleiben der Erderwärmung in dieser Zeit keine Erklärung gebe.

In diesem Zusammenhang fällt in der Regel auch der Name des deutschen Klimaforschers Mojib Latef. Er kam in einer Untersuchung über die mögliche Temperaturentwicklung bis zum Jahre 2025 zu dem Ergebnis, daß die Temperatur im Zeitraum zwischen 2005 und 2025 in etwa gleich bleiben werde. Das heißt, der Erwärmungstrend ist in dieser Zeit nach Latef zwar unterbrochen, keineswegs aber beendet. Entsprechend spricht Latef von einer „Atempause“. Zu verweisen ist im weiteren darauf, daß eine derart kurze Spanne vor dem Hintergrund des großen Zeitraums, der zu betrachten ist, statistisch gesehen wenig bis gar nichts besagt. Es handelt sich hier, wie es der Wissenschaftsjournalist John Rennie ausdrückte, um eine „zu geringe Abweichung“, als daß von einer „Trendumkehr“ die Rede sein könnte.

All dies wird „Klimaskeptiker“ natürlich nicht davon abhalten, weiter ihre Behauptung vom „Treibhausschwindel“ zu propagieren. Dabei werden auch weitgehende Spekulationen darüber angestellt, wozu dieser „Schwindel“ dienen könnte. Für Klaus Peter Krause und andere ist klar, wohin die Reise gehen soll: „die Menschen“ sollen „für eine neue Weltgesellschaft gefügig gemacht werden“, sie sollen „durch autoritäre Regime“ zum „vermeintlichen Glück“ gezwungen werden. Dahinter ständen auch „Bestrebungen“, „den Menschen in den wohlhabenden Ländern eine drastische Senkung des Lebensstandards aufzuzwingen und eine De-Industrialisierung durchzusetzen“.

Eine „weltumspannende Klimadiktatur“? Wer sich den unverbindlichen Minimalkompromiß des gerade beendeten Kopenhagener Klimagipfels vor Augen hält, kann derartigen Verschwörungsszenarien nur noch verständnislos gegenüberstehen.

 Um an dieser Stelle noch eine weitere Stimme hinzuzufügen: Der Wirtschaftspublizist Hartmut Bachmann sieht in der „Lüge (von) der Klimakatastrophe“ das „gigantischste Betrugswerk der Neuzeit“. Er nimmt für sich in Anspruch, so der „Klimaskeptiker“ Christian Bartsch in einer rein affirmativen Rezension des Bachmann-Buchs in der JF 42/07, berufsbedingt „jahrelang Teilnehmer von Abspracherunden“ mit den „Großen von Wirtschaft und Politik“ zum Klimaschutz gewesen zu sein und direkt miterlebt zu haben, wie aus der „Klimakatastrophe“ ein „lohnendes Geschäft und Machtinstrument für Politiker“ gemacht wurde. Bartsch teilt im übrigen die These, daß die Maßnahmen gegen die eingebildete Klimaerwärmung zur „Verarmung der Industrieländer“ führten und in eine „weltumspannende Klimadiktatur“ mündeten. Wer sich den unverbindlichen „Minimalkompromiß“ des gerade beendeten Kopenhagener Klimagipfels vor Augen hält, kann derartigen Verschwörungsszenarien eigentlich nur noch verständnislos gegenüberstehen.

Ein Novum indes bleibt, daß Politik, Teile der Wirtschaft und Teile der Medien aufgrund von umstrittenen Daten und Erkenntnissen der Wissenschaft einig darin sind, daß wir an unserer Lebensweise etwas ändern müßten. Diese Unsicherheit im Hinblick auf die Daten ist, dies muß hier kritisch angemerkt werden, von den Vertretern der These einer globalen Erwärmung nicht hinreichend problematisiert und öffentlich gemacht worden.

Der mangelnden „Kommunikation“ auf diesem Gebiet versucht im deutschsprachigen Raum unter anderem Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zu begegnen, der sich immer wieder explizit mit den Thesen der „Klimaskeptiker“ auseinandersetzt und den Stand der Forschung allgemeinverständlich zu vermitteln sucht. Einen Eindruck von der Heftigkeit der Auseinandersetzungen, die Rahmstorf hier von Fall zu Fall führt, vermittelt zum Beispiel sein Schlagabtausch mit dem „Physikochemiker“ und „Skeptiker“ Siegfried Dittrich.

Nicht in Abrede gestellt werden soll der Versuch, die These einer globalen Erwärmung politisch zu instrumentalisieren. Es hat sich, wie Florian Rötzer auf den Seiten des Internetmagazins Telepolis andeutete, unter den Themen „Ausbeutung der Ressourcen“, „Zerstörung und Belastung der Umwelt“, „Artenschwund“ und anderen mehr zur „Speerspitze“ derer entwickelt, die in der Tat eine Änderung unserer Lebensweise und Produktion verfolgen. Daß diese Gruppierungen vor allem bei den Grünen und vielen Nichtregierungsorganisationen beheimatet sind, ist kein Geheimnis. Die Überspanntheit beginnt allerdings dann, wenn aus diesen bekannten Parteigängern einer „anderen Lebensweise“ eine allgemeine Verschwörung ziseliert wird, gemäß der „die Menschen“ für die „neue Weltgesellschaft gefügig“ gemacht werden sollten. Hysterie ist nie ein guter Ratgeber für Erkenntnis.

 

Michael Wiesberg, Jahrgang 1959, arbeitet als Publizist und Lektor. Auf dem Forum der JUNGEN FREIHEIT schrieb er zuletzt „Herrscher, nicht Hegemon“ (JF 10/07).

Foto: Abgase aus Industrie, Verkehr und Brandrodung, Smog über der Großstadt: Wir haben heute den höchsten CO2-Gehalt in der Luft seit etwa 2,1 Millionen Jahren. Dem geschlossenen Kohlendioxidkreislauf werden Jahr für Jahr riesige Mengen an Kohlendioxid fossiler Herkunft hinzugefügt. Das bleibt für das Weltklima nicht folgenlos.

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