© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/10 15. Januar 2010

Öffentlich-rechtlicher Medienimperialismus: Tagesschau-Apps erhitzen die Gemüter
Schäden in Millionenhöhe
Bernd-Thomas Ramb

Wieder einmal helle Empörung über ein neues Informationsangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Zuletzt hatte das expandierende Internetangebot von ARD und ZDF die Gemüter erregt, vor allem die der privaten Pressemedienkonkurrenz. Nun sind es die sogenannten Apps, kleine Applikationen, die auf multimedial ausgelegten Mobiltelefonen (neuhochdeutsch: Smartphone) ablaufen und im aktuellen Fall den Empfang von minimalisierten Internetseiten der „Tagesschau“ ermöglichen. Das ärgert vor allem die Herausgeber der Springer-Produkte Bild und Welt. Sie bieten ähnliches an, allerdings nicht wie die ARD gratis, sondern gegen Geld.

Gehören Apps zur Grundversorgung oder nicht?

„Kostenlos“ ist das Angebot der „Tagesschau“-Minimeldungen allerdings nicht. Die App-Nachrichten müssen vorbereitet und gewartet werden. Der dafür verantwortliche NDR-Chef Lutz Marmor rechnet mit einem „niedrigen fünfstelligen“ Euro-Betrag. Die privaten Konkurrenten befürchten dagegen Schäden in Millionenhöhe und den Verlust Tausender von Arbeitsplätzen, wenn ihre kostenpflichtige Sendung der Mini-Nachrichten unterminiert wird. Gefahr von unvorhersehbaren Schäden droht nicht nur in finanzieller Hinsicht. Wieder einmal wird die Standardfrage aufgeworfen: Dürfen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das eigentlich?

Die Gegenargumente liegen auf der Hand. Erstens: Noch kostet es wenig, das kann sich aber schnell ändern, wenn sich diese Form der Nachrichtenvermittlung ausbreitet. Zweitens: Selbst geringe Kosten werden aus den zwangsweise erhobenen Gebühren finanziert, die bei steigendem Aufwand entsprechend erhöht werden. Drittens: Über ein multimediales Mobiltelefon verfügt nur ein geringer Teil der Gebührenzahler. Die anderen müssen ein Angebot mitfinanzieren, das sie nicht nutzen. Viertens: Das Angebot einer „Tagesschau“-App zählt nicht zu den originären Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

Diese und weitere Einwände werden jedoch kaum eine rechtliche Bestätigung erfahren. Zu häufig hat bereits das Bundesverfassungsgericht selbst Klagen der großen Presseverlage abgeschmettert. Sogar bei der jüngsten Auseinandersetzung um die recht eigenmächtig kalkulierte Gebührenerhöhung der öffentlich-rechtlichen Sender, die immerhin von den Ministerpräsidenten beanstandet wurde, entschieden die Karlsruher Verfassungsrichter zugunsten von ARD und ZDF.

Bei den aktuellen Kritikpunkten können die Staatsmedien zudem auf vergangene höchstrichterliche Freibriefe zurückgreifen. So befand der Bundesgerichtshof 1991, aus dem Grundversorgungsauftrag folge eine „Bestands- und Entwicklungsgarantie“ der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Dies erlaube insbesondere die Nutzung und Verbreitung neuer Mediendienste. 1987 unterstrich das Gericht den „publizistischen Wettbewerb“ zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern. Unter Grundversorgung ist demnach nicht nur eine Mindestversorgung mit politischer oder wissenschaftlicher Berichterstattung zu verstehen, sondern auch Kultur- und Unterhaltungsprogramme.

Öffentlich-rechtliche Medien als Staat im Staat

„Rote Rosen“ und „Wetten daß“ sind also verfassungsrechtlich zulässig, ob es dem Zuschauer gefällt oder nicht. Genauso dürfen die öffentlich-rechtlichen „Rundfunk“-Anstalten neben dem Fernsehen nun auch die neuen Medien Internet und Mobilfunk nach Grundversorgungsbelieben nutzen.

Der Gesetzgeber hat offensichtlich gewollt, daß ein Medienmonopolist geschützt ist, der Volumen und Preis seines Angebots nach Belieben festlegen kann. Im privatwirtschaftlichen Bereich würde schon die Macht, entweder den Preis oder Handelsmengen festsetzen zu können, von der staatlichen Monopolkommission verboten. Die öffentlich-rechtlichen Sender dürfen beides zusammen und nahezu unabhängig von einer politischen Kontrolle. Wenn in der verbliebenen Einflußzone die politisch besetzten Rundfunkräte einmal gegen den Willen der Anstalten entscheiden, wie zuletzt bei der Abwahl des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender, ist die mediale Empörung groß – bemerkenswerterweise auch die der sonst so klagesüchtigen privaten Medienunternehmen.

Ja wie denn nun? Sollen die öffentlich-rechtlichen Sender zu einem (Medien-)Staat im Staate mutieren, der sich bar jeglicher politischer Kontrolle immer weiter ausbreiten darf? Wer das nicht will, muß auf eine prinzipielle Änderung des Gesetzes drängen. Wie wäre es mit der Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten?

Foto: Gebührenfinanzierte Tagesschau-Apps: Die private Konkurrenz sieht ihre Felle davonschwimmen

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