© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/10 29. Januar 2010

Das Hühnerauge am kleinen Zeh
Von Nazi-Dumpfbacken und Amtsträgern: Ein Oberstaatsanwalt in Dresden vergreift sich in der Wortwahl
Doris Neujahr

Die Medien wollen uns daran gewöhnen, daß nur Anhänger des Mitte-Links-Spektrums legitime Anliegen haben, für die sie „demonstrieren“, während Rechtsstehende aus Prinzip „Aufmärsche“ organisieren: Das klingt nach Nazi-Formation und Blitzkriegsvorbereitung, der man sich – in den Worten der Juso-Vorsitzenden Franziska Drohsel – „in den Weg stellen“ muß. So wird das allgemeine Demonstrationsrecht zum Exklusivrecht umdefiniert. Am 13. Februar will in Dresden ein Aktionsbündnis das Gedenken der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) an die Opfer des Bombardements vor 65 Jahren verhindern.

Da wir nun mal in einem Rechtsstaat leben, sah sich die Dresdner Staatsanwaltschaft zum Einschreiten veranlaßt. Ihr Pressesprecher, Oberstaatsanwalt Christian Avenarius, sagte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, man habe zwei Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Dresden durchgesetzt, weil das Bündnis „Dresden nazifrei!“ zur Begehung von Straftaten auffordere. „Wir haben das nicht mit heißem Herzen getan. Es ging nicht darum, den Nazis einen Triumph zu verschaffen; aber auch braune Dumpfbacken können für sich die Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen, wenn ihre Demonstration genehmigt ist.“ Man sei „so schonend wie möglich“ vorgegangen.

Was soll dieses anbiedernde Augenzwinkern? Amtsperson Avenarius hat für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen, seine subjektive Körpertemperatur ist sowenig von Interesse wie sein Hühnerauge an der rechten kleinen Zehe. Eine Selbstverständlichkeit ist es auch, daß Ermittlungsbehörden ihre Nase nur so weit in die Angelegenheit der Verdächtigen stecken wie zur Aufklärung von Straftaten nötig. Oder wollte Avenarius andeuten, daß man bei Verdächtigen nicht-linker Ausrichtung mit um so heißerem Herzen vorgeht und desto kräftiger zulangt? Die „Nazi-Dumpfbacken“-Beschimpfung steht einer Amtsperson nicht zu und kann nur als Konzession des Rechtsstaats an das politische Milieu und die veröffentlichte Meinung verstanden werden, die gegenwärtig dominieren. Vorsicht: Der Weg zur politischen Justiz ist gepflastert mit derartigen Zugeständnissen.

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