© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/10 12. Februar 2010

Kontroverse um „Homeschooling“
Eine Familie geht ihren Weg
Dieter Stein

Eine lebhafte Kontroverse um die deutsche Schulpolitik hat der Fall der Familie Romeike ausgelöst, deren Vater wir für diese Ausgabe interviewt haben (siehe Seite 3): Ein amerikanisches Gericht erkannte ihren Antrag auf Asyl an, weil die Eltern in Deutschland wegen ihres Hausunterrichts („Homeschooling“) und der Verweigerung der Schulpflicht für ihre fünf Kinder mit Gefängnisstrafen und dem Entzug des Sorgerechts bedroht seien. Deutschland gestattet als einziger EU-Staat nicht die Möglichkeit, Kinder zu Hause zu unterrichten.

Die Einführung der allgemeinen Schulpflicht in Preußen vor dreihundert Jahren ist tatsächlich von historischer Bedeutung für unsere Nation: Sie schuf die entscheidende Grundlage für den Aufstieg Deutschlands zur führenden Industrienation. Mit der Schulpflicht wurde Kinderarbeit unterbunden, Massenalphabetisierung und der Aufstieg von Deklassierten ermöglicht.

Kritiker warnen nun vor den Gefahren einer Öffnung der Schulpflicht: Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, befürchtet, daß dann gerade islamische Einwandererfamilien ihre Kinder von den Schulen nehmen könnten, um sie „fundamentalistisch“ zu indoktrinieren.

Die Anhänger des Hausunterrichts sind in Deutschland nicht zuletzt wegen der Gesetzeslage eine kleine Minderheit, unter denen es zweifellos auch alle möglichen Sektierer und renitenten Individualisten gibt. Tatsache ist aber, daß sie nur die Spitze eines Eisberges bilden. Insgesamt explodiert die Zahl der Eltern, die bewußt einen Bogen um die staatliche Schulerziehung macht. Seit 1992 hat sich die Zahl der Privatschüler verdoppelt: Im Schuljahr 2007/08 ging jeder dreizehnte Schüler, insgesamt über 900.000, auf eine nichtstaatliche Bildungseinrichtung.

Und das hat seine Gründe. Seit den siebziger Jahren wird das staatliche Schulsystem kaputtreformiert. In den großstädtischen Brennpunkten wird die Situation durch die Überfremdung von Stadtteilen im Zuge ungebremster Einwanderung verschärft. Aller Multikulti-Gesundbeterei zum Trotz: Eltern erleben am Leib ihrer Kinder als erstes die Folgen der verantwortungslosen Einwanderungspolitik. Sie flüchten in Scharen aus Bezirken, in denen Schulen ethnisch und sozial umkippen.

Hinzu kommt ein allgemeiner Niedergang von Erziehungsstandards. Wenn wir von Schulpflicht und staatlicher Erziehung sprechen, gehen wir noch von einem Ort aus, an dem sich Kinder aufrichten und Bildungsfleiß entfalten können. Frühsexualisierung und Gewalt machen die Schule auch zur Quelle zunehmender sozialer Desorientierung.

Zu wünschen wäre eine grundlegende Remedur des staatlichen Schulwesens, was einer Kulturrevolution gleichkäme. Solange dies nicht geschieht, sehen sich Eltern verstärkt in der Verantwortung: Der Weg der Familie Romeike ist dabei keine Lösung, ihr Fall hingegen Symptom der Krise. Eltern, die im Ernstfall so um ihre Kinder kämpfen, nötigen einem Respekt ab. Den unabhängigen Erzieher, den Lehrer werden Eltern aber schwer ersetzen können.

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