© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

Walter Scheuerl. Der Hamburger Rechtsanwalt bietet Schwarz-Grün die Stirn
Stimme der Bürger
Sverre Schacht

Nach dem Scheitern der Verhandlungen über die Hamburger Schulreform letzte Woche ist nun der Weg frei für einen Bürgerentscheid. Damit ist der wichtigste Gegner der schwarz-grünen Koalition an der Elbe ein Parteiloser, denn er hat ihn geebnet: der „konservative“ (so die Gewerkschaft GEW) Rechtsanwalt Walter Scheuerl.

Die CDU-Führung im Rathaus und ihr grüner Koalitionär wollen die Primarschule durchsetzen, die für alle Kinder bis einschließlich der sechsten Klasse verbindlich sein soll (JF berichtete). Scheuerl, Jahrgang 1961 und Vater schulpflichtiger Kinder, stellte sich quer und gründete 2008 die Bürgerinitiative „Wir wollen lernen“ (www.wir-wollen-lernen.de). Selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Lernen sei gerade im Interesse der Lernschwachen wichtig, betont Scheuerl und mahnt: „Wir müssen uns in Deutschland bewußt sein, daß wir in erster Linie in einer Wissensgesellschaft leben.“

Nach dem Scheitern der Kompromiß-Gespräche ist Scheuerls Einfluß größer denn je, denn als Vordenker der Proteste kann er auf beeindruckende Erfolge, vor allem aber auf einzigartigen Zuspruch aus der Bevölkerung bauen. Bereits Anfang 2009 brachte der seit über acht Jahren in der Elternarbeit Engagierte Tausende Demonstranten gegen Ole von Beust und dessen grüne Bildungssenatorin Christa Goetsch auf die Straße. Und im November stand sein Name für den Erfolg des Volksbegehrens – das bisher erfolgreichste in der Stadt: „Wir wollen lernen“ sammelte in drei Wochen 184.000 Unterschriften. Doch Scheuerls ganz große Stunde schlägt wahrscheinlich im Juli, wenn die Bürger im Volksentscheid abstimmen.

Daß Volksentscheide für den Senat bindend sind, erkämpften ausgerechnet die Grünen (GAL) einst im Koalitionsvertrag mit der CDU. Das Elternwahlrecht der weiterführenden Schule konnte Scheuerl den Regierenden schon abtrotzen. Doch echtes Einlenken des Senats sieht er nicht: „Das neue schwarz-grüne Papier läßt Zweifel daran aufkommen, ob es den Verfassern wirklich noch um die Schülerinnen und Schüler geht.“ Ein echter Schulvergleich müsse her, so der Mann, der am liebsten den ersten CDU-Abgeordneten, „der gegen von Beust aufsteht und dafür sorgt, daß die Hamburger CDU in Sachen Schulreform wieder für ihre tatsächliche Überzeugung eintritt“, zum Ehrenbürger machen würde. Längst ist er zum Beispiel eines Bürgers avanciert, der sich mit Ole von Beusts Ausverkauf gesellschaftlicher Werte um schwarz-grüner Machtoptionen willen nicht mehr länger zufrieden geben will.

Daß Scheuerls Kinder, im Gegensatz zu den derzeit 66.710 Hamburger Grundschüler, von der Reform nicht mehr betroffen sind, macht ihn obendrein glaubwürdig. Als Medienanwalt operiert er geschickt: Das vom Senat propagierte „gemeinsame Lernen“ lehnt er nicht grundsätzlich ab, nur müsse ein solches Projekt ausreichend ausgestattet sein – Gymnasien bräuchten eben, wenn sie noch funktionieren sollen, die Jahrgangsstufen fünf und sechs.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen