© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

Wenn der Hörsaal zum Pranger wird
Eingeschränkte Meinungsfreiheit: Wie linke Ideologen seriöse Professoren in die politische Isolation treiben
Hinrich Rohbohm

Wie steht es um die Meinungsfreiheit an Deutschlands Hochschulen? Konservative Professoren sehen sich zunehmend unter politischen Druck gesetzt, fürchten gar um den Verlust ihrer Lehrtätigkeit. Jüngstes Beispiel: Jost Bauch. Der 60 Jahre alte Soziologe lehrt an der Universität Konstanz. „Macht keine Scheine bei braunen Vordenkern“, hieß es im Februar 2008 auf einem Flugblatt der linksextremen Antifa. „Sie hatten Beleidigungen gegen meine Person mit Kreide auf die Tafel geschrieben“, erinnert sich der gebürtige Osnabrücker, der an der Universität Bielefeld bei Niklas Luhmann promovierte.

Bauch wehrte sich gegen die Angriffe, die ihm einen Vortrag bei der Bürgerbewegung Pro Köln sowie seine Autorenschaft in der JUNGEN FREIHEIT zur Last legten, und beschwerte sich bei der Unileitung. Doch der damalige Rektor, Gerhard von Graevenitz, sah offenbar keine Veranlassung, den an seiner Hochschule lehrenden Akademiker zu schützen. Im Gegenteil: Statt die Agitation demokratiefeindlicher Kräfte zu verurteilen, distanzierte sich der Alt-Achtundsechziger von Bauch.

Auch in diesem Semester sieht sich Bauch Anfeindungen ausgesetzt. Aufrufe wurden gestartet, seine Vorlesungen nicht mehr zu besuchen. Auf einer studentischen Vollversammlung hat ein Arbeitskreis „Bauch-Schmerzen“  einen Antrag eingebracht, der Bauchs Lehrtätigkeit an der Universität ablehnt und fordert, daß die Versammlung sich von seinen Äußerungen in der jungen freiheit distanziert. Der Antrag wurde angenommen. Und auch der neue Uni-Rektor Ulrich Rüdiger übernimmt die Distanzierungsposition seines Vorgängers, sekundiert vom Fachbereich für Geschichte und Soziologie.

„Weil Bauch geäußert hat, daß Deutschland unter Überfremdung leidet. Bei uns studieren sehr viele Leute aus den unterschiedlichsten Nationen. Solche Aussagen passen einfach nicht zu den Zielen unserer Hochschule“, nennt Uni-Justitiarin Natascha Foltin den Grund. Unter anderem wird Bauch für den Satz kritisiert: „So ist seine (Gunnar Heinsohns) Prognose nicht abwegig, daß ‘spätestens in fünfzig Jahren, Deutschland muslimisch sein wird’“ (JF 4/08). – „Wenn er solche Aussagen macht, darf er sich über die Reaktionen nicht wundern“, meint Foltin. „Wir haben zahlreiche Presseanfragen und Leserbriefe erhalten, auch wir stehen unter Druck“, erklärt die Juristin. Viele fragten an, warum die Hochschule den Dozenten nicht „rausschmeißt“.

„Das können wir aber gar nicht“, räumt Foltin ein. Die rechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Schritt lägen nicht vor. Gegen die Verteiler des Antifa-Flugblatts habe die Hochschule nichts weiter unternommen. „Es war ja nur eine Meinungsäußerung“, betont Foltin. Grundsätzlich sei es nur den Hochschulgruppen gestattet, auf dem Uni-Gelände politische Flugblätter zu verteilen. Eine Hochschulgruppe der Antifaschistischen Aktion gebe es nicht. Ob es sich um ein linksextremistisches Flugblatt handle, wisse man nicht. Auch die Tatsache, daß auf dem Schriftstück das Logo der Antifaschistischen Aktion deutlich sichtbar ist, reicht der Universitätsleitung offenbar nicht als Beweis für einen linksextremistischen Hintergrund des Verbalangriffs aus. „Da gibt es so viele Untergruppen. Und es stand ja kein Impressum drauf.“

Die linke Internetseite Seemoz.de hat ein Impressum – und überführte dadurch den Betreiber Hans-Peter Koch, der den Antifa-Aufruf veröffentlichte. Seemoz verlinkt seine Seiten unter anderem zu der Antifa-Zeitschrift Der Rechte Rand, einer laut Verfassungsschutz linksextremistisch beeinflußten Publikation, die personelle Verbindungen zur von der DKP beeinflußten Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) aufweist. Einer der Links bei Seemoz verweist auch auf die VVN Konstanz.

Koch hat inzwischen angesichts möglicher rechtlicher Schritte gegen ihn die Unterstellungen gegen Bauch gelöscht und zurückgenommen.

Jost Bauch selbst aber ist bestürzt über die Anfeindungen, sieht sich in seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung beschnitten. Aus Furcht, daß sein Fahrzeug demoliert wird, traut er sich inzwischen nicht mehr, mit dem Auto zur Universität zu fahren. Auch beruflich muß der in der Privatwirtschaft tätige Dozent aufgrund der Rufschädigung Auftragseinbußen verkraften.

Schnell wird man in die rechtsextreme Ecke gedrängt

Ein Einzelfall? Keineswegs. Der Rechtswissenschaftler Menno Aden sollte im Frühjahr vorigen Jahres Honorarprofessor an der TU Dortmund werden. Der Dekan hatte bereits zugestimmt, nur die Dekanatsversammlung mußte noch grünes Licht geben. Doch das Gremium lehnte ab. Begründung: Aden habe ein Interview mit der JUNGEN FREIHEIT geführt, sei Vorsitzender der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG) und habe sein Buch „Internationales privates Wirtschaftsrecht“ dem Großvater seiner Frau, Franz Schlegelberger, gewidmet. Schlegelberger war während der NS-Zeit kommissarischer Reichsjustizminister und in den Nürnberger Juristenprozessen zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

„Aber das war für mich gar nicht der Grund. Ich hatte das Buch ja auch meinem eigenen Großvater und meiner Frau gewidmet.“ Franz Schlegelberger habe er vor allem als einen der bedeutendsten Handels- und Wirtschaftsrechtler seiner Zeit gesehen, der auch schon in der Weimarer Republik als Ministerialdirektor im Justizministerium eine führende Funktion innehatte. Es sei einfach niederträchtig, ihm aufgrund dieser Widmung eine auch nur indirekte Befürwortung des Nationalsozialismus zu unterstellen. Auf die JF angesprochen, soll sich laut Aden einer der Fragesteller geschüttelt haben. „Wenn ich JUNGE FREIHEIT höre, nein, dann sträubt sich alles in mir“, soll er gesagt haben.

Wie bei einem Tribunal sei er sich vorgekommen, als er am 24. Juni vorigen Jahres der Dekanatsversammlung Rede und Antwort stand. Aden wurde von dem Gremium nach seinem politischen Standort befragt, den er als konservativ bezeichnete.  Danach, ob er sich ausländerfeindlich oder antisemitisch geäußert hätte. Er entgegnet, daß er die unterschwellige Unterstellung als beleidigend empfindet, daß er schon deshalb solche Äußerungen nicht getroffen haben kann, weil sie seinen Überzeugungen als Christ und als Jurist widersprächen.

Er fragte das Gremium, was sie zu einem solchen Verdacht veranlaßt habe. Eine Antwort darauf habe er nicht erhalten. Auch ein klärendes Gespräch und eine Begründung für seine Ablehnung sei ihm von der Rektorin verweigert worden. „Es ist ein Klima, das nicht mehr tolerierbar ist“, meint Aden, der jetzt gegen die Entscheidung der Dekanatsversammlung klagt. „Ich mache das auch im Namen der Freiheit und für unsere Demokratie“, sagt der 67jährige.

Wie Menno Aden war auch Johann Braun in die Nähe des Rechtsextremismus gerückt worden. Der 63jährige ist ebenfalls Rechtswissenschaftler und Inhaber des Lehrstuhls für Zivilprozeßrecht, Bürgerliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Passau. Er hatte sein 2008 erschienenes Buch „Wahn und Wirklichkeit“ im Hohenrain-Verlag veröffentlicht, der unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Ein anonymer Anrufer hatte darauf die Passauer Lokalpresse informiert, die dann Kontakt mit der Universität aufnahm. Braun bot an, sich zu der Sache zu äußern, doch die Zeitung sei nicht interessiert gewesen. In seinem Buch schreibt Braun, wie „hinter der Fassade unserer freiheitlichen Rechtsordnung eine unfreiheitliche Realordnung“ entstanden ist, wie „1.000 Verbote“ das freie Reden und Denken in Deutschland reglementieren.

„Die Publikation von Texten, die gegen die ungeschriebenen Regeln der Political Correctness verstoßen, ist nämlich kein leichtes Geschäft. Zwar gibt es keine Zensur, aber es gibt natürlich auch keine Pflicht, jedes Manuskript zu verlegen“, schrieb Braun  kürzlich in der Zeitschrift Gegengift in eigener Sache über die Schwierigkeit, einen Abnehmer für sein Werk zu finden. 

So gelangte er an den Hohenrain-Verlag, der schließlich bereit war, sein Buch zu drucken. Braun wurde dafür als Autor in „Sippenhaftung“ genommen, wie er schreibt, und in die rechtsextreme Ecke gestellt. Passaus Universitätspräsident Walter Schweitzer, der laut Braun keine Probleme habe, einem Fraktionsvorsitzenden der SED-Nachfolgepartei regelmäßig an der Hochschule ein Podium zu bieten, leitete ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein. Braun wehrte sich mit einem Anwalt – erfolgreich. Zu einem Disziplinarverfahren ist es nicht gekommen.

Lesen Sie hierzu das Interview mit Professor Jost Bauch auf Seite 3.

Foto: Leerer Hörsaal: Es ist nicht allein das Desinteresse der Studenten, das die Plätze unbesetzt läßt. Immer öfter gibt es Boykottaufrufe gegen unliebsame „rechte“ Dozenten: „Macht keine Scheine bei braunen Vordenkern!“

 

Stichwort: „Bauch-Schmerzen am rechten Rand“

Mit dem Titel „Bauch-Schmerzen am rechten Rand“ rief die Antifa bereits im Februar 2008 die „Kommilitoninnen“ dazu auf, „Veranstaltungen von rechten Dozentinnen“ zu boykottieren. Im Fadenkreuz: der Dozent Jost Bauch. „Wir  fordern den Fachbereich Geschichte und Soziologie, die Lehrenden (...) der Universität Konstanz dazu auf, zu der Tatsache Stellung zu beziehen, daß ein Rechtskonservativer, der keinerlei Berührungsängste mit Rechtsradikalen und Holocaust-Leugnern kennt, an dieser Uni lehrt“,  heißt es weiter und endet mit dem Slogan: „Macht keine Scheine bei braunen Vordenkern“.

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