© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/10 26. Februar 2010

Lebensschutz
Das namenlose Sterben
Dieter Stein

Vor 35 Jahren, am 25. Februar 1975, erklärte das Bundesverfassungsgericht die vom Bundestag beschlossene Liberalisierung des Abtreibungs-Paragraphen 218 für verfassungswidrig. Die Richter entschieden, daß das Lebensrecht des Kindes schwerer wiege als das Selbstbestimmungsrecht der Mutter. Die „Fristenlösung“, nach der die Tötung ungeborener Kinder im Mutterleib in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft straffrei bleiben sollte, wurde daraufhin von der „Indikationslösung“ abgelöst. Abtreibung war straffrei, wenn eine von vier „Indikationen“ ärztlich bestätigt wurde: Gefahr für das Leben der Mutter, Vergewaltigung, Behinderung des Kindes oder eine soziale „Notlage“ der Mutter.

Nach der Wiedervereinigung galt auf dem Gebiet der ehemaligen DDR die dort von der SED verwirklichte Fristenlösung, bis 1993 durch die CDU/FDP-Koalition die heutige „Beratungsregelung“ eingeführt wurde, faktisch eine Fristenlösung. Seitdem reicht der „Schein“ einer staatlich anerkannten Beratungsorganisation wie der umstrittenen Pro Familia aus.

Jedem fünften Kind (einschließlich Dunkelziffer mutmaßlich jedem dritten) wird in Deutschland aufgrund dieser gesetzlichen Regelung das Leben genommen. Das Statistische Bundesamt vermeldet alljährlich mit trauriger Routine die der Behörde offiziell gemeldete Zahl der Abtreibungen: 2008 waren dies 114.000. 97 Prozent der Abtreibungen findet nach der „Schein“-Regelung statt. 114.000 Menschenleben – das ist jährlich die Einwohnerzahl einer Stadt wie Göttingen ...

Die Entwicklung seit der Karlsruher Entscheidung von 1975 ist ein 35 Jahre währender himmelschreiender Skandal. In den Medien gab es stets einen großen Aufschrei, wenn bedauernswerte Einzelfälle bekanntwurden, in denen Eltern ein Kind verhungern ließen. Der hunderttausendfache Tod der Ungeborenen wird jedoch schweigend hingenommen.

Unerträglich für das Rechtsempfinden ist, daß praktisch „straffrei“ Kindern das Recht auf Leben genommen werden kann, obwohl Abtreibung nach wie vor „rechtswidrig“ ist. Hier wurde die Tür aufgestoßen zu weiteren Einschränkungen des Rechtes auf Leben, die in einer überalternden Gesellschaft kommen werden.

Derzeit ist schwer denkbar, daß parlamentarische Mehrheiten gefunden werden, um die Gesetzeslage wieder zu ändern. Es fehlt aber schon der Wille der Politik zu einer Erziehung an Schulen, die Heranwachsende konsequent zur Elternschaft ermutigt.

Um so wichtiger sind deshalb Initiativen, die konkrete Projekte entwickeln, um das Ja zum Leben zu befördern. Ein Beispiel, wie dies auf privater Ebene gelingen kann, ist das Projekt der Schwangeren-Beratungsorganisation Birke e.V., die mit einer „Aktion 1000 plus“ in sympathischer Weise um Unterstützer wirbt. Die Idee: Es sollen 1.000 Mütter in Notlage durch Beratung ermuntert werden, Ja zu ihrem Kind zu sagen. Eine Mut machende Aktion!    

Weitere Informationen im Internet: www.1000plus.de

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