© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/10 26. Februar 2010

Frauenrechte sind im Gender-Zeitalter überflüssig
Ein Sammelband analysiert die Geschlechterbilder des Postfeminismus in der ideologischen Welt des Gender Mainstreaming
Milan Kupczak

Keine Frage, die Frauenbewegung war notwendig, hat sie doch Frauen aus Rollenzwängen und Korsetten befreit. Wie steht es nun um die Korsette der Männer? Wer befreit sie?

Zu diesem Thema haben die Herausgeber Eckhard Kuhla und Paul-Hermann Gruner 18 Psychologen, Geschlechterforscher und Sozialwissenschaftler aufgeboten. In Interviews, Essays und Analysen bilden sie die aktuelle Geschlechterdebatte als komplexe Großbaustelle ab, auf der es noch allerlei tote Winkel auszuleuchten gibt. So sieht Wirtschaftscoach und Psychotherapeutin Christine Bauer-Jelinek den historischen An- und Einklagefeminismus mittlerweile in grundlegende Widersprüche verstrickt. Sie stellt eine teils rabiate ideologische Abwertung des Häuslich-Familiären fest, dessen Fürsorge- und Kommunikationsspielregeln aber in der Berufswelt um der fraulichen Mehr-Mensch-Orientiertheit willen verstärkt zur Geltung kommen sollen. Einerseits sollen Geschlechterrollen nicht biologisch bestimmt sein, andererseits findet, so Bauer-Jelinek, unter unzähligen „Frauen sind die besseren“-Schlagzeilen permanent eine Idealisierung alles Weiblichen statt.

Susanne Kummer hinterfragt die Grundannahme der Gender-Theorie an sich, wonach Mann/Frau-Identitäten nur anerzogen seien. Sie läßt Absonderlichkeiten wie etwa die Herausnahme röhrender Hirsche aus Werbebroschüren zur Vermeidung überkommener Rollenbilder für sich selber sprechen und stellt die ketzerische Kernfrage: Wenn es von Natur aus auch keine echten Frauen gibt, worauf beruhen deren politische Forderungen dann noch? Sie verweist auf Untersuchungen, wonach Geschlechterunterschiede schon vor den Phasen der sozialen Prägung auftreten. Mädchen lernen früher sprechen, wählen andere Spielzeuge und reagieren deutlich empathischer als Jungen auf den Gram anderer Menschen. Sie begreift ihren Beitrag als Absage an „Leibferne“ und als Bekenntnis zum Unterschied.

Martin Verlinden plädiert in „Väter erforschen neues Land“  für die Lobbybedürftigkeit von Väterinteressen auch in der Arbeitswelt. Darunter versteht er beispielsweise das deutliche Sichtbarmachen von Vätern auf betrieblicher Ebene, das Berücksichtigen von Väterbelangen in Fragen der Überstunden und Gleitzeit, Möglichkeiten der betrieblichen Verankerung wie etwa als Väterbeauftragter und das Zugänglichmachen von Väterarbeitsplätzen für Familienangehörige.

Den unterhaltsamen Schlußpunkt setzt Mitherausgeber Eckhard Kuhla selbst. Er schildert seine Bemühungsodyssee, die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten in seiner niedersächsischen Heimatkommune um einen Männerbeauftragten zu ergänzen, ähnlich wie auch in der evangelischen Kirche Hessen Nassau. Von Verfahrens- und Geschäftsordnungstricks bis hin zu Party-Argumenten wie jene, Männer hätten doch erst einmal eine jahrtausendelange Unterdrückung wiedergutzumachen, wurde allerlei aufgeboten, um dieser Idee in den Niederungen real existierender Gender-Politik die Landeerlaubnis zu verweigern. Dennoch kann Kuhla in seinem Beitrag erste Teilerfolge aufweisen. Zu den auch in seiner Gemeinde relevanten Themen wie „Männer in die Erziehungsberufe“, „Männer in Scheidung“ und „Männergesundheitsbericht“ wurde ein regelmäßiger kommunaler Männerabend eingerichtet, mit deutlicher „Vor-Ort-Resonanz“.

Die Vielfalt an Themen und Darreichungsformen ist beträchtlich. Deshalb erfordert die Lektüre einen längeren Atem und eigene Prioritätensetzungen. Die Umwandlung von wissenschaftlicher Diskursterminologie  in alltagstaugliche Argumente gerät nicht immer leicht, und auch vereinzelte Einsprengsel an Überzeichnung bleiben nicht aus. Dennoch sind es Beiträge wie diese und noch etliche andere mehr, welche die Streitschriften zur Denkschrift bündeln. Sie wollen den Blick dafür öffnen, daß Mannsein mehr sein kann als das Optimieren von Leistungskennziffern.

Es gibt ein Männerleben jenseits des Produktionsfaktorendaseins. Es gibt allerlei neu auszuhandeln zwischen den Geschlechtern, einschließlich der Haupternährerrolle und, das kommt nicht ohne Augenzwinkern herüber, des Sich-einfangen-Dürfens von Zurückweisungen. Ein autarkes, kurssicheres Männerego mit Vorliebe für Eindeutigkeiten ist eine gute Verhandlungsbasis dafür.

Paul-Hermann Gruner, Eckhard Kuhla (Hrsg.): Befreiungsbewegung für Männer. Auf dem Weg zur Geschlechterdemokratie. Essays und Analysen. Psychosozial Verlag, Gießen 2009, broschiert, 430 Seiten, 29,90 Euro

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