© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/10 26. Februar 2010

Sehen wir Bello wieder?
Fragen für ein neues Institut für theologische Zoologie
Michael Manns

Im ersten Moment könnte es etwas schräg wirken: ein wissenschaftliches Institut für theologische Zoologie – gegründet von einem katholischen Priester, der zugleich studierter Biologie ist. Doch alles ist ernsthaft: Rainer Hagencord hat mit Genehmigung und Unterstützung seiner Kirche in Münster vor einigen Wochen sein Projekt aus der Taufe gehoben und für Medienwirbel gesorgt. Sein Ziel: die wissenschaftlich fundierte theologische Würdigung des Tieres.

„Die Tiere sind vergessen in der Theologie, in der Bibel sind sie das nicht“, so seine These. Dazu sei eine Neusichtung und Neulektüre der biblischen Texte nötig. Hagencord verweist zum Beispiel auf das Buch Kohelet im Alten Testament. In der Tat finden sich dort erstaunliche Sätze: „Denn jeder Mensch unterliegt dem Geschick, und auch die Tiere unterliegen dem Geschick. Sie haben ein und dasselbe Geschick. Wie diese sterben , so sterben jene. Einen Vorteil des Menschen gegenüber dem Tier gibt es nicht. Beide sind Windhauch.“

Die Abwertung des Tieres und die Aufwertung des Menschen sei erst in der Neuzeit erfolgt, die das Verhältnis von Mensch und Natur neu definierte. Die Natur (und damit auch die Tiere) wurden zum Laboratorium und zum Ausbeutungsobjekt. In der naturwissenschaftlichen Arbeitsweise wurde die Herrschaft des Menschen über die Außenwelt immer wieder bestätigt.

Hagencord hat sich viel vorgenommen, um die Korrektur zwischen Mensch und Tier umzusetzen. Auf „Bibel-Ebene“ strebt er eine Distanzierung eines „unhaltbaren Anthropo-Zentrismus“ an. Der Mensch als einzig beseeltes Lebewesen und Krone der Schöpfung – hier müsse eine Neubesinnung eintreten. Er forderte eine vertiefte Reflexion der unleugbaren Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier. Als Biologe ist er natürlich den Erkenntnissen der Evolution verpflichtet. Der Mensch sei schließlich nicht vom Himmel gefallen. Deutliche Worte auch zum Tierschutz: Hagencord geißelt den überhöhten Fleischgenuß, der zur Vernichtung ganzer Ökosysteme und der Verelendung der sogenannten Dritten Welt führt.

Wie will er diese Ziele erreichen? Sein Programm dazu ist ambitioniert: In Religionsunterricht und Predigt soll größere Sensibilität für die Bewahrung der Schöpfung erreicht werden. Dazu müssen Unterrichtsmaterialien erstellt werden. Mit Nationalparks und Zoos sollen Konzepte erarbeitet werden – dazu Exerzitien, Workshops, Exkursionen.

Und immer wieder verweist der engagierte „Tier-Theologe“ auf Bibelstellen, über die einfach hinweggelesen wird. Zum Beispiel das Paradies: Die Menschen mußten den Garten Eden verlassen, weil sie sich gegen Gott aufgelehnt hatten. Doch die Tiere durften bleiben.

Foto: Tierfriedhof im kalifornischen Disneyland: Der Mensch ist schließlich auch nicht vom Himmel gefallen

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