© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/10 05. März 2010

Evangelische Kirche
Nichts ist gut
von Christian Vollradt

Für Frieden und soziale Gerechtigkeit will sich Nikolaus Schneider, Nachrücker der ausgeschiedenen Margot Käßmann, auf seinem neuen Posten an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) einsetzen. Das ist wohlfeil und nicht überraschend. Wer erwartet schon einen prominenten Protestanten, der für Krieg und Klassengesellschaft plädiert? Besonders „evangelisch“ jedenfalls klingen die Schneiderschen Allgemeinplätze nicht gerade.

Wie beim Rücktritt Käßmanns, der konsequent und – immerhin fast ganze vier Tage nach ihrer Straftat – überfällig war, offenbart sich hier das Dilemma, in dem die Kirche der Reformation seit langem steckt. Von ihren Kanzeln wird zu oft nur das politisch Wünschenswerte, sozial Gerechte und moralisch Gute verkündet und nicht das mitunter sperrige Wort Gottes. Ihre Amtsträger, die sich in alle gesellschaftlichen Mißstände einmischen, werden daher auch bei ihren Fehltritten strenger beurteilt, so als wären sie nicht wie alle Menschen: zugleich Sünder und Gerechte. Der Stabwechsel vom charismatischen Medienstar aus Hannover zum mitfühlenden Arbeiter-Hirten aus dem Ruhrpott wird kaum etwas ändern. Im Zweifel rückt die EKD künftig eher noch weiter nach links. Wer das nicht goutiert, wird feststellen: Nichts ist gut – in der Kirche.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen