© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/10 05. März 2010

Keine Moralprediger
Südosteuropa: China investiert und gibt günstige Kredite / Endfertigung für den EU-Markt
Albrecht Rothacher

China brauchte nicht lange, um den Balkan strategisch als den weichen Unterleib Europas zu identifizieren. Schon zu Sowjetzeiten hatte man die besonders rücksichtslosen KP-Regime von Nicolae Ceauşescu in Rumänien und Enver Hoxha in Albanien hofiert und alimentiert. Nach zwanzigjähriger Absenz sind die Chinesen unübersehbar wieder in der Region aktiv – diesmal eher im Gefolge der Russen, die in Serbien, Bulgarien und Mazedonien bereits die Energiewirtschaft kontrollieren und in Montenegro die Küste und die Kupferverhüttung aufgekauft haben.

Kapitalbeteiligungen an strategischen Unternehmen

Gezielt bieten die Chinesen (wie in Afrika, JF 4/10) hochverschuldeten Kleinstaaten wie Serbien, Kroatien, Moldawien oder Griechenland günstige langfristige Dollarkredite (15 Jahre Laufzeit, drei Prozent Zinsen): Ländern also, in denen sich vor allem deutsche und österreichische Banken verspekuliert haben und die, vom Staatskonkurs bedroht, von frischem Geld zu diesen Konditionen nur träumen können. China verlangt im Gegenzug Kapitalbeteiligungen an strategischen Firmen in der Energie- und Rohstoffbranche, an Häfen oder wichtigen Banken.

Daran scheiterte bislang der Versuch von Griechenlands Premier Georgios Papandreou, die in diesem Jahr fälligen Tilgungen und Neuschulden von 55 Milliarden Euro (unter Vermittlung von Goldman Sachs durch den Verkauf griechischer Schuldverschreibungen an China) zu finanzieren. Solche Summen sind kein Problem für China, das über Fremdwährungsreserven von 2,4 Billionen Dollar verfügt und sich zunehmend von US-Schuldverschreibungen verabschiedet. Der Knackpunkt war, daß der Pleitestaat keine Sicherheiten bieten wollte. Die Chinesen verlangten eine Beteiligung an der National Bank of Greece mit ihrem umfangreichen Immobilienbesitz und Investitionen auf dem Balkan. Die Verpfändung des nationalen Tafelsilbers konnte der sozialistische Premier mit Rücksicht auf die patriotischen Befindlichkeiten seiner Landsleute nicht zulassen.

Doch über einen kleineren Kredit von fünf bis zehn Milliarden Euro wird weiter verhandelt. Der Containerhafen von Piräus ist bereits im Besitz der chinesischen Staatsrederei Cosco, das den Hafen zu einem Einfalltor nach Südosteuropa und zum Schwarzen Meer ausbauen will. Viel Freude hat Cosco an dieser strategischen Investition bisher freilich nicht. Auf die verschärften Arbeitsbedingungen reagierten die Beschäftigten nach Landesart mit Dauerstreiks.

Mit Serbien unterzeichnete China bereits 2008 ein Abkommen zur strategischen Partnerschaft. Die staatliche Exim-Bank lieh darauf 170 Millionen Euro für den Bau einer neuen Donaubrücke bei Belgrad und 890 Millionen Euro für die Sanierung und den Neubau dreier Kraftwerke durch chinesische Staatsbetriebe – alles ohne öffentliche Ausschreibungen. Weiter sind Umgehungsstraßen, Tunnel und eine Autobahn zur montenegrinischen Adriaküste geplant. Beim Gelingen dieser Vorzeigeprojekte empfehlen sich die chinesischen Baukonzerne als billige, schnelle und von Staatskrediten begünstigte Infrastrukturlieferanten in der verarmten, überschuldeten EU-Peripherie. Mit dem mit 42 Milliarden Euro verschuldeten Kroatien vereinbarte Peking 2009 den Neubau des Flughafen Zagreb und des Hafens von Ploče im südlichen Dalmatien. Mit dem veramten Moldawien wurde ein Kredit des staatlichen Baukonzerns Covec über eine Milliarde Dollar vereinbart. Dafür richten die Chinesen dann Straßen, Kraftwerke, Stromleitungen und die Wasser- und Abwasserversorgung im Lande wieder her.

Außerdem nutzen chinesische Konzerne die Balkanstaaten zur zollfreien Endfertigung ihrer Produkte für den EU-Markt. Great Wall Motors schraubt seine Autos im bulgarischen Lowetsch zusammen, wo einst der sowjetische Opel-Nachbau „Moskwitsch“ montiert wurde. Der Lkw-Bauer Dongfeng Motor und die Telekom-Hersteller Huawei und ZTE tun dies mit ihren Endgeräten in Serbien, Haier mit seinen Küchengeräten in Mazedonien, und der Schanghaier Fernsehbauer SVA in Bulgarien. Über die Konditionen brauchen sich die Chinesen nicht zu beschweren. Albaniens Präsident Sali Berisha bot Vizepremier Zhang Dejiang beim Besuch in Tirana Industrieflächen in seinen Sonderwirtschaftszonen für einen Euro an. Die universelle Korruption, schlechte Infrastruktur und parteiische Gerichtsbarkeit schreckt die Chinesen nicht ab – die kennen sie nur allzugut von zuhause.

An südosteuropäischen Produkten ist China freilich wenig interessiert. Aus Griechenland werden nicht Wein und Olivenöl importiert, sondern Phosphate, Marmor, Aluminium und medizinische Rohstoffe, aus Bulgarien nicht Joghurt und Rosenöl, sondern Kupfer, Aluminium und Bleierze. Für 536 Millionen kaufte sich die staatliche Minmetals deshalb im Oktober bei einer in deutschem Besitz („Aurubis“) befindlichen bulgarischen Kupferhütte ein.

Die neue Weltmacht betritt Europa durch die Hintertür

Politisch-moralische Vorgaben wie Brüssel macht Peking den Balkanstaaten nicht. Geopolitisch stellt es aber klare Bedingungen: Es gilt die „Ein China“-Politik. Als Mazedonien vor einem Jahrzehnt kurzfristig die Republik Taiwan anerkannte, blockierte China die Verlängerung einer dortigen Blauhelm-Mission im UN-Sicherheitsrat. Selbst im Kosovo – dessen Unabhängigkeit China nicht anerkennt – gelang es Peking, taiwanesische diplomatische Bemühungen bislang zu torpedieren.

Das chinesische Regime unterdrückt selber seine Tibetaner und Uiguren und unterstützt auch auf dem in ethnische Einheiten zerfallenen Balkan stets die territoriale Integrität der Nachfolgestaaten wie etwa Serbiens (einschließlich dessen ehemaliger Provinz Kosovo). Aber auch Zypern (einschließlich des türkisch besetzten Nordens) wird demonstrativ unterstützt. Auf diese Weise gewinnt China über seine wirtschaftlichen Schützlinge auch indirekt Einfluß auf die EU-Entscheidungsprozesse – eine neue Weltmacht betritt Europa durch die Hintertür.

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