© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

Aufgeschnappt
Journalistische Geisterstadt
Matthias Bäkermann

Ende Februar wurde die Operation „Muschtarak“ in der südafghanischen Region Helmand überaus erfolgreich beendet. Als Zeichen des Sieges hätten am 17. Februar alliierte Truppen „die afghanische Flagge auf dem Marktplatz von Mardscha gehißt“, wußten die Agenturen AFP und dpa zu berichten. Spiegel Online zitiert US-General Ben Hodges, der diesen „historischen Sieg“ so deute, daß „der Großteil der Kämpfe hinter uns liegt“, da „in und um Mardscha“ die meisten Taliban-Kämpfer getötet oder verjagt worden seien oder sich „unerkannt unter die Bevölkerung gemischt hätten“. N-tv zitiert einen „eingebetteten“ CNN-Journalisten bei den US-Marines, der Mardscha (die 80.000 Einwohner-Stadt, wie das Hamburger Abendblatt weiß), die gerade noch heiß umkämpfte „letzte Bastion der Taliban“, nunmehr als „Geisterstadt“ beschreibt.

Die afghanische Journalistin Anahita Girishki, „als Kind und Jugendliche viel in Helmand herumgekommen“, wurde aufgrund dieser Berichte stutzig: „Mardscha kannte ich nur als armselige verstreute Hüttensammlung im Distrikt Nad Ali“, macht sie in einem Netz-Beitrag für Eigentümlich frei ihren Bedenken Luft. Egal ob Marjah, Marjeh, Marja oder Mardscha (je nach Dialekt und Übersetzung), der Ort war auch auf keiner Landkarte als größere Ansiedlung auszumachen. Immerhin weiß das englische Wikipedia zu berichten, daß „Marja“ eine Stadt „mit 80–85.000 Einwohnern sei, der Distrikt sogar 125.000 Einwohner“ habe. Als Quelle für diese Erhebung wird dort immerhin ein Artikel der Los Angeles Times genannt. Solange an der Pressefront die Siege allerdings so süß klingen, ist die Größe der eroberten Orte wohl auch unerheblich.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen