© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

Ulrich von Habsburg kandidiert als österreichischer Präsident – und bricht ein Tabu
Der royale Rebell
Hans B. von Sothen

Ironie des Schicksals: Noch vor einigen Jahren war Ulrich Habsburg-Lothringen, Nachkomme der entfernten toskanischen Linie des vormaligen österreichischen Kaiserhauses, eigentlich gar kein anerkanntes Mitglied der Familie. Doch inzwischen dürfte er das derzeit wohl populärste sein, denn er bewirbt sich um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten, der am 25. April gewählt wird (siehe Bericht Seite 7). Pikant daran: Nicht nur, daß er ausgerechnet für die Grünen kandidieren will – vor allem gilt in der Alpenrepublik seit 1918 das sogenannte Habsburger-Verbot, nach dem Mitglieder regierender oder ehemals regierender Häuser von dem Amt ausgeschlossen sind. Damit steht Österreich vor einem Verfassungsproblem – und mitten in einer Debatte. Nachdem Habsburg Ende 2009 vor dem Verfassungsgerichtshof gescheitert ist, will er nun vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen, notfalls gar das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl anfechten.

Erst 1985 hatte der Chef des „allerhöchsten Erzhauses“, Otto von Habsburg, Sohn des letzten Kaisers Karl I., das Hausgesetz geändert und dem 1941 geborenen Ulrich ( www.ulrich-habsburg-lothringen.at ) damit den Weg geebnet: Nunmehr waren auch Heiraten mit solchen Personen erlaubt, die nicht dem hohen Adel angehörten. Rund 100 der etwa 600 Habsburger gehörten nach der Änderung der „Hausordnung“ wieder dazu. Mutter, Helvig (Helle) Schütte, entstammt zwar einer angesehenen dänischen Familie, doch standesgemäß war weder die Heirat seines Vaters noch die seines Großvaters. Die Nachkommen des allseits beliebten Erzherzogs Johann oder des 1914 in Sarajewo ermordeten Erzherzogs Franz Ferdinand waren bekanntlich wegen nicht hausgesetzmäßiger Ehen nicht nur von der Thronfolge, sondern auch aus dem Erzhaus ausgeschlossen worden.

Ulrich Habsburg-Lothringen ist gelernter Forstwirt auf dem Schütteschen Forstgut in Kärnten, das einst sein Ururgroßvater, der 1804 im brandenburgischen Perleberg geborene dänische Hofjägermeister August Theodor Schütte, gekauft hatte. Mit dem Habsburger-Verbot, so Ulrich, mache sich Österreich „gelinde gesagt, lächerlich“. Der frühere grüne Kärntner Gemeinderat sucht nun Verbündete nicht nur bei den treuen und unentwegten Anhängern des Kaiserhauses, etwa bei den Monarchisten der „Schwarz-Gelben-Allianz“. Und er findet sie bei fast allen Parteien, den Grünen, der bürgerlichen ÖVP und den Freiheitlichen. Nur die Sozialdemokraten sind in dieser alten Frage noch zerstritten. Dabei wurden bei Nationalrats- oder Europawahlen immerhin bereits der Sohn Otto von Habsburgs, Erzherzog Karl, sowie ein weiteres Mitglied eines „regierenden Hauses“, Prinz Vincenz Liechtenstein, gewählt.

Dennoch schwinden die Möglichkeiten Ulrichs mit den rasch nahenden Präsidentschaftswahlen zusehends, und so wird dieses Kuriosum die an politischen Arabesken nicht arme österreichische Innenpolitik wohl noch eine Weile weiter begleiten.

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