© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

Schwarz-Gelb auf der Kippe
Schleswig-Holstein: Die Koalition von CDU und FDP kommt unter ihrem amtsmüden Ministerpräsidenten nicht in Tritt und muß um ihre Mehrheit fürchten
Hans-Joachim von Leesen

Seit Ende Oktober ist die neue schleswig-holsteinische Landesregierung im Amt, und allmählich werden die Bürger unruhig. Wie im Bund, so präsentiert sich die vermeintliche Traumkoalition von CDU und FDP auch im Land zwischen den Meeren in einem desolaten Zustand. Hinzu kommt, daß die schwarz-gelbe Mehrheit von ursprünglich drei Sitzen mittlerweile auf einen einzigen zusammengeschmolzen ist.

Im Wahlkreis Husum 3 hatte eine Nachzählung der Stimmen Ende Januar einen weiteren Sitz für die Linkspartei ergeben, während die FDP gleichzeitig einen verlor. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) gab sich dennoch selbstbewußt: Auch mit nur einer Stimme Mehrheit könne man regieren, denn eine knappe Mehrheit schweiße die Regierungsfraktionen zusammen. Allerdings ist auch diese denkbar knappe Mehrheit in Gefahr. Dem Landesverfassungsgericht liegt eine Klage der Linkspartei gegen das Ergebnis der Landtagswahl vom 27. September vor. Streitpunkt sind drei Überhangmandate der CDU, die von der Wahlleiterin nicht mit Ausgleichsmandaten kompensiert worden sind. Hat die Klage Erfolg, ist die schwarz-gelbe Mehrheit Geschichte.

Ob nun die fragilen Mehrheitsverhältnisse der Grund für die Untätigkeit der Landesregierung sind oder der Unwille der Koalitionspartner, ist nicht ganz klar. Allerdings wäre es dringend notwendig, den Wählern zu erklären, was die Regierung plant, um die nach Auskunft von Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) desaströse Finanzlage in den Griff zu bekommen. Das Haushaltsdefizit beläuft sich immerhin auf 1,25 Milliarden Euro, Schleswig-Holstein hat zudem 24 Milliarden Euro Schulden. Pro Jahr muß das Land eine Milliarde an Zinsen aufbringen. Um das von der Regierung verkündete Ziel zu verwirklichen, bis 2020 einen Haushalt ohne Schulden vorzulegen, müssen ab 2011 jährlich 125 Millionen Euro eingespart werden. Das Personal des Landes soll um 5.600 Stellen verringert werden. Nun stehen die ersten Einschnitte an: Im Wahlkampf hatten CDU wie FDP lauthals verkündet, das dritte Kita-Jahr müsse in Zukunft kostenfrei sei. Jetzt mußte der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki zugeben, daß es dafür keinerlei Hoffnung gibt, würde doch diese Entlastung der Eltern ein Minus von 30 Millionen Euro im Landeshaushalt bedeuten.

Nicht nur das Land leidet Not, auch Städte und Gemeinden sind finanziell am Ende. Nicht zuletzt deswegen wollte Carstensen im Bundesrat ursprünglich gegen die geplanten Steuersenkungen stimmen und errang mit seinem Ausbruch „Ihr habt sie wohl nicht alle!“ auch eine gewisse Popularität. Aber da Hunde, die bellen, bekanntlich nicht beißen, stimmte er den Steuersenkungen schließlich doch zu, da es, wie er wissen ließ, „angemessene Kompensationen des Bundes“ gebe. Das führte zur tiefen Enttäuschung der klammen Bürgermeister im Lande, die ratlos vor ihren Schulden stehen und mit Angstschweiß auf der Stirn die Abrechnung der durch den harten und langen Winter entstandenen zusätzlichen Kosten erwarten.

Nicht nur aus diesen Gründen ist das Ansehen der schleswig-holsteinischen CDU in der Bevölkerung deutlich geschwunden. Das hatte sich bereits bei der Landtagswahl gezeigt, als die Christdemokraten 8,6 Prozentpunkte einbüßten. Jetzt drängte die Basis erfolgreich darauf, sich endlich kritisch mit den Gründen für die Talfahrt zu befassen. Dabei stellten die Parteistrategen fest, daß die Nord-CDU in den Augen der Wähler zunehmend farb- und konturenlos geworden ist. Es genügt eben doch nicht, wenn der Parteivorsitzende und Ministerpräsident seine Politik darauf beschränkt, Volksfeste und Jubiläen zu besuchen und Optimismus auszustrahlen.

Peter Harry Carstensen wird daher auch von Parteifreunden dazu gedrängt, sich deutlicher zu positionieren; man verbindet bisher mit ihm keinen politischen Standort, weder einen konservativen noch einen liberalen oder gar sozialen. Hinzu kommt eine zunehmende Amtsmüdigkeit. Bereits vor der Landtagswahl ließ der 63 Jahre alte Politiker durchblicken, er werde sich im Laufe der Legislaturperiode wohl vorzeitig aus der Politik zurückziehen. Doch davon ist nun keine Rede mehr, und das hat vor allem juristische Gründe: Denn nach dem Landeswahlgesetz, das manche unklare Regelung enthält, dürfte er, falls er aus dem Landtag ausscheidet, aufgrund der Überhangmandate nicht durch einen Nachrücker ersetzt werden.

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