© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

Ein unermüdlicher Kämpfer
Wirtschaft: Hans-Olaf Henkel ist einer der medienwirksamsten liberal-konservativen Mahner, jetzt feiert er seinen 70. Geburtstag
Klaus Peter Krause

Man nennt ihn unbequem und streitbar; er ist es. Man nennt ihn einen einen Rebellen; er ist es, jedenfalls verbal. Man nennt ihn einen Querdenker; er ist es, will aber lieber „Geradeausdenker“ genannt werden. Auch polemisch nennt man ihn. Aber das ist Geschmackssache. Denn wenn jemand Tatsachen ausspricht und zuspitzt, damit sie gehört und verstanden werden, dann sehen die einen darin nur Polemik, die anderen aber empfinden es als geradeheraus, erfrischend unverblümt und absolut notwendig. Aber ihn als „notorischen Querulanten“ zu bezeichnen, wie es auch schon passiert ist, damit geschieht ihm Unrecht.

Gemeint ist Hans-Olaf Henkel. An diesem Sonntag wird er 70 Jahre alt. In diesen siebzig Jahren, wenn auch erst in den späteren davon, hat er es zu einer deutschlandweiten Bekanntheit gebracht. Denn seine großen beruflichen Positionen mit Wirkungen in der Öffentlichkeit waren: Vorsitzender der Geschäftsführung von IBM Deutschland von 1987 bis 1993, Vorsitzender von IBM Europa, Mittleren Osten und Afrika mit Dienstsitz in Paris (1993 bis 1995), Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) in den Jahren 1995 bis 2000 und Präsident der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. (2001 bis 2005).

Daneben war und ist Henkel Aufsichtsrat in vielen Unternehmen. Folglich ist er mit Fragen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft vertraut und vermag sich kundig und kompetent zu ihnen zu äußern. Als unermüdlicher Kämpfer für Freiheit und marktwirtschaftliches Regelwerk und gegen die Sozialisten in allen Parteien und Gruppierungen ist er bei Gleichdenkenden hochgeschätzt, bei Andersdenkenden mißbeliebt, abgelehnt, teils auch verabscheut.

Zahlreiche Auszeichnungen und Preise pflastern seinen Weg.  Gerne schmücken sich Veranstaltungen mit ihm, denn er ist ein sachkundiger, glänzender Redner. Fernseh-Talkshows laden ihn ein, weil sie einen liberal-konservativen Mahner als Gegenpart für politisch linke Positionen brauchen oder einen Watschenmann, einen Polarisierer, der die Speere auf sich zieht, dies aber immer bravourös durchsteht, solange er das Wort hat. Radiosender befragen ihn gerne zu aktuellen Ereignissen, Entwicklungen und Entscheidungen, wenn es um Wirtschaft und Wirtschaftspolitik geht.

Henkel ist immer gut für klare Aussagen, drückt die Finger in Wunden, riskiert eine Lippe. Das verträgt nicht jeder. Aber Henkel gehört keiner politischen Partei an, ist allerdings mannigfach engagiert. Sein Sprachstil ist so knapp wie der von Helmut Schmidt. Kurze, prägnante Sätze, nichts Überflüssiges, notfalls verletzend, keine Dampfplauderei.

In der Jugendzeit ein Jazz-, Beatles- und Castro-Fan

Kernsätze von ihm lauten zum Beispiel: „Wir haben sehr viel Solidarität und sehr viel Gleichheit, aber sehr wenig Freiheit.“ Oder: „Deutschland ist ein Land, das Unterschichten produziert.“ Oder: „Die Deutschen geben mehr für Soziales und für Solidarität aus als alle anderen und werden immer unsolidarischer.“ Alles Zitate stammen aus seiner Zeit als BDI-Präsident.

In etlichen kritischen Büchern zur Politik, Wirtschaftspolitik und zu gesellschaftlichen Entwicklungen hat er ausgebreitet, was er ablehnt, was fehlläuft, was er sich statt dessen vorstellt. Sein jüngstes Buch (2009) heißt „Die Abwracker – Wie Zocker und Politiker unsere Zukunft verspielen“ (JF 4/10). In der galoppierenden Schuldenwirtschaft, wie sie in Deutschland (und anderswo) eingerissen sei, sieht er ein untrügliches Zeichen für das Wirken des „Neo-Sozialismus“  („Verteile Wohltaten jetzt – laß andere später dafür zahlen!“) Das Staatswesen lebe seit langem auf Pump. „Wir leben über unsere Verhältnisse. Doch nicht nur das: Wir leben auch über die Verhältnisse unserer Kinder. Und leider werden diese dereinst über ihre Verhältnisse bezahlen müssen.“ Der „Neo-Sozialismus“ habe sich fast überall breitgemacht.

Geboren ist Henkel 1940 in Hamburg, hanseatisch korrekt und geprägt ist auch seine Haltung. Jedenfalls seit er erwachsen ist. Denn über seine frühe Zeit liest man: „Als Jugendlicher war er mal Langhaarträger, der häufig zwangsweise die Schule wechselte, dann schwarzgekleideter Existentialist mit Pilzkopf und Leidenschaft für Jazz, die Beatles und Fidel Castro.“ Henkels Vater war im Krieg gefallen, so wuchs er zunächst als Halbwaise auf, bis seine Mutter wieder heiratete und der in Hamburg und Norddeutschland sehr populäre, heimatnahe Liedersänger, Lautenspieler und Komponist Richard Germer sein Stiefvater wurde. Zeitgenossen von damals liebten besonders dessen „Seeräuberballade“ und das „Ständchen an Paula“.

Nach dem Realschulabschluß machte Henkel eine kaufmännische Lehre beim Hamburger Speditionsunternehmen Kühne & Nagel, studierte anschließend an Hamburgs  späterer Hochschule für Wirtschaft und Politik. 1962 begann seine Zeit bei IBM mit späteren Tätigkeiten in den Vereinigten Staaten, in Ostasien und mit seiner IBM-Endstation in Paris. Auch sein Familien-Soll hat Henkel erfüllt: Er ist Vater von vier Kindern.

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