© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

Nachhaltigkeit ist jetzt gefordert
Landwirtschaft: Die schwarz-gelbe Regierungskoalition muß sich auch weniger schlagzeilenträchtigen Fragen stellen
Harald Ströhlein

Schwarz-gelber Tiger oder Biene Maja? Nein, Streithähne ist inzwischen der passendere Vergleich aus dem Tierreich für die schwarz-gelbe Bundesregierung, die bislang eher negative Schlagzeilen machte. Eine Neuverschuldung des Bundes von über 80 Milliarden Euro in diesem Jahr wegen der längst nicht ausgestandenen Finanz- und Wirtschaftskrise, Turbulenzen in der Euro-Zone sowie das Klein-Klein um Hartz IV, Kopfpauschale und Pflegezeiten beherrschen die Schlagzeilen.

Doch Angela Merkels Regierungskoalition muß sich auch weniger medientauglichen Fragen stellen, die ebenfalls nachhaltige Lösungsansätze erfordern. Aus Sicht der Landwirtschaft tut dies um so mehr Not, denn die Landwirte – ob nun Milch-, Schweine- oder Ackerbauern – schwelgen nur in Ausnahmefällen im Überfluß.

Unbestrittener Politik-Höhepunkt in den zurückliegenden gut vier Monaten war das noch im Dezember in kürzester Zeit verabschiedete Soforthilfeprogramm, mit dem den von der Krise gebeutelten Milcherzeugern möglichst schnell unter die Arme gegriffen werden soll. Dabei schlägt die darin enthaltene Grünlandprämie für die Jahre 2010 und 2011 mit jeweils 111 Millionen Euro zu Buche, für die Kuhprämie wurden für die beiden Jahre insgesamt 160 und für das Krisen-Liquiditätsprogramm insgesamt 50 Millionen Euro eingeplant. Zudem wurden für dieses Jahr die Bundesmittel für die landwirtschaftliche Unfallversicherung von 100 auf 300 Millionen kräftig aufgestockt, was im Folgejahr mit 214 Millionen fortgeführt werden soll.

Agrarhaushalt wurde um elf Prozent aufgestockt

Begleitet wurde dieses Hilfspaket von weiteren Entschlüssen wie der erhöhten Förderung des Agrarexportes und des Programms für nachwachsende Rohstoffe im zweistelligen Millionenbereich. Zudem werden den vier Bundesforschungsinstituten des Ministeriums in den Bereichen Ernährung, Pflanze, Tier und ländliche Räume fast 380 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Daß es die Bundesregierung ernst meint mit der Landwirtschaft, steht daher außer Frage. Insgesamt wurde der Agrarhaushalt gegenüber dem vergangenen Jahr um elf Prozent aufgestockt, so daß Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) in diesem Jahr über nicht weniger als fast 5,9 Milliarden Euro verfügen kann.

Doch mit der Geldspritze alleine ist es nicht getan, riskiert man einen Blick auf die Liste mit solchen Aufgaben, die mit einem Schuß guten Willens noch relativ zügig ad acta gelegt werden könnten: Absenkung der überteuerten Agrardieselbesteuerung in Deutschland (derzeit erhalten Land- und Forstwirte eine Energiesteuervergütung von 21,5 Cent pro Liter) auf EU-Niveau, direkte Eins-zu-eins-Umsetzung von EU-Agrargesetzgebung und Abschaffung der überbordeten Richtlinien-Bürokratie auf Staats- und Länderebene. Weniger einfach gestaltet es sich zugegebenermaßen bei jenen Problemstellungen, die zudem noch Esprit verlangen und letztendlich in die essentielle Kernfrage münden: Wie kann vor dem Hintergrund des fortschreitenden globalen Handelsliberalismus eine regionale Landwirtschaft flächendeckend erhalten werden?

Daß es darauf keine einfache Antwort gibt, liegt auf der Hand, denn die Ausgangslage könnte konträrer nicht sein und bietet deshalb gehörig Konfliktpotential wie etwa:

-Sollten Weltmärkte konsequent erschlossen oder regionale Schutzzonen etabliert werden?

-Sollte die Agrargüterproduktion angesichts Übermengen streng reguliert oder sollten die Erzeuger sich selbst überlassen werden?

-Muß die Ackerkrume angesichts des weltweit steigenden Nahrungsmittelbedarfs mehr oder weniger konventionell bestellt oder darf diese mit Photovoltaikanlagen entweiht werden?

-Sind Landwirte künftig als Staatsdiener zu subventionieren oder als freie Unternehmer zu protegieren?

-Ist der Grünen Gentechnik ohne Wenn und Aber zu entsagen oder sollte man sich dieser über Kompromisse öffnen?

„Heute schon an morgen denken“: Daran muß sich eine Politik messen lassen und die Nachhaltigkeit – was die Regierung übrigens schon seit längerem von der Landwirtschaft fordert – als oberste Maxime erheben. Angesichts der bundesdeutschen Kollateralverschuldung großzügige Finanzmittel in schwindelerregender Höhe zu verteilen, ist zwar honorig, aber wahrlich keine Heldentat. Nimmt sich die Koalition in ihrer verbleibenden Regierungszeit der großen Themen unserer Zeit an, ist dabei Grundsätzliches zu beachten: Die Familien in der Landwirtschaft brauchen für ihre Zukunftsplanung endlich eine richtungweisende Politik, soziale Sicherheit, eine Harmonisierung innerhalb der EU-Staatengemeinschaft und nicht zuletzt Anerkennung für eine Wertschöpfung, die ohne sie nicht denkbar wäre.

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