© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

CD: Erich J. Wolff
Entdeckung
Wiebke Dethlefs

Öfter schon ist dem Musik- und Theaterwissenschaftler Peter P. Pachl (56) und seinem Münchner ppp-Ensemble die Wiederentdeckung zu Unrecht vergessener spätromantischer Opern, Lieder und Instrumentalstücke gelungen. So eine erfreuliche Entdeckung ist auch das Werk des Komponisten Erich J. Wolff, von dem vor einiger Zeit dreiundvierzig Lieder, ergänzt um acht Lieder seines Lehrers Alexander Zemlinsky (darunter vier Ersteinspielungen, eine davon als Uraufführung!) unter dem Titel „Märchenträume – Furchtbar schlimm!“ auf einer Doppel-CD erschienen sind (Thorofon/Bella Musica, Edition CTH 2562/2). Pachl hat die Auswahl mit einer Einführung versehen, gesungen werden die Stücke von der amerikanischen Sopranistin Rebecca Broberg, einschlägig bekannt als Siegfried-Wagner-Heroine. Sie wird am Klavier begleitet von Hans Martin Gräbner.

Mag Alexander Zemlinsky vielleicht noch durch seine fein ziselierten Opern wie „Der Traumgörge“ oder „Der Kreidekreis“ den Kennern bekannt sein, so ist über Erich J. Wolff auch in einschlägigen Lexika so gut wie nichts zu finden. Er lebte von 1874 bis 1913 und war als Assistent Schönbergs und Zemlinskys (am Wiener Carl-Theater) sowie insbesondere als Klavierbegleiter tätig. Doch schuf er auch ein nicht kleines musikalisches Œuvre, in dem neben zahlreichen Instrumentalstücken 150 Lieder stehen. Diese sind den Zeitgenossen schon so bedeutend erschienen, daß Wolff in einer Kritik in die große Reihe deutscher Liederkomponisten von Schubert über Brahms und Hugo Wolf gleichsam als dessen Nachfolger gehandelt wurde. Und das nicht zu Unrecht.

Wie Hugo Wolf, lotet auch Erich J. Wolff seine Textvorlagen psychologisch bis in die feinste Regung aus. Neben Naturalisten, wie Arno Holz und Johannes Schlaf, lieferten Otto Julius Bierbaum, Eichendorff und Storm die Dichtungen zu Wolffs Liedern. Wolffs Tonsprache ist tonal, vermeidet schroffe Dissonanzen – voll glänzender Melodik, darin Richard Strauss nicht unähnlich. Doch sind Wolffs Lieder keine beifallheischenden Podiumslieder, wie es oft für die seines zehn Jahre älteren Kollegen gilt: sie sind letztlich, wegen des intensiveren Eintauchen Wolffs in seine Liedertexte, viel intimer gehalten.

Einen  Höhepunkt nimmt darin sein Kinderlieder-Zyklus von 1910 ein, der den Vergleich mit Mussorgskys Zyklus „Die Kinderstube“ in seiner naturalistischen musikalischen Prosa nicht zu scheuen braucht. Frappierend neue Klänge zur naiven Kindersprache, gleichwohl der Tonsprache seiner Epoche angepaßt, und unvergleichlich mit manchem tändelnden, tänzerischen Wiener Einschlag gewürzt!

Die Erstaufnahme der Lieder des Erich J. Wolff zeigt einmal mehr, welch großartige Musik noch abseits aller ausgetretenen Pfade zu finden ist. Rebecca Brobergs Engagement für einen vergessenen Künstler des Fin de Siècle wird vor allem durch die ausgezeichnete Verständlichkeit des gesungenen Textes unterstrichen. Und Peter P. Pachls ausführliches Beiheft kann anderen CD-Produktionen als Vorbild dienen.  

E. Wolff, A. Zemlinsky, Märchenträume – Furchtbar schlimm!

Doppel-CD: Märchenträume – Furchtbar schlimm! Ausgewählte Lieder von Erich J. Wolff und Alexander Zemlinsky, Thorofon/Bella Musica, Edition CTH 2562/2

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