© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Bürgersinn
Karl Heinzen

Nana Mouskouri, als Stilikone und Popstar („Weiße Rosen aus Athen“) auch dem deutschen Publikum wohlvertraut, will ihren ganz persönlichen Beitrag zur Rettung Griechenlands aus der aktuellen finanziellen Not leisten. Von 1994 bis 1999 saß sie als auf der Liste der liberalkonservativen „Neuen Demokratie“ gewählte Abgeordnete im Europäischen Parlament. Der aus dieser Tätigkeit resultierenden Pension möchte sie nun entsagen, solange die Misere anhält.

Es ist sicher eher unwahrscheinlich, daß die 75jährige Sängerin aufgrund ihres Verzichts von Altersarmut bedroht sein könnte. Dennoch kommt niemand umhin, ihrer Geste Respekt zu zollen. Zum einen drückt nämlich die Partei, für die sie einst ihren Namen hergab, derzeit die Oppositionsbänke. Ihre Unterstützung bei der Konsolidierung des griechischen Staatshaushalts kommt somit einer Regierung zugute, die vom politischen Gegner, den Sozialisten, gestellt wird. Dieser das Gemeinwohl über die Parteiinteressen stellende Bürgersinn ist insbesondere in Griechenland, wo links und rechts durch nahezu unüberbrückbare, aus Zeiten des Bürgerkriegs herrührende Gräben getrennt sind, aber auch in den allermeisten anderen europäischen Staaten eine Seltenheit.

Zum anderen weist Nana Mouskouris Angebot den Kurs, auf dem sowohl ihre Heimat als auch die übrigen von Schulden geplagten Länder das rettende Ufer erreichen könnten. Aus eigener Kraft finden die Institutionen einer Demokratie nicht aus dem Dilemma heraus, daß die Politiker aus Furcht vor Wahlniederlagen strikt die Besitzstandswahrung ihrer Klientel betreiben müssen und daher eigentlich unerläßliche Reformen blockieren. Spitzt sich die Lage zu, wie wir es jetzt erleben, haben die Bürger selbst die Initiative zu ergreifen und ihren gewählten Vertretern deutlich zu machen, daß sie keineswegs ihrem Eigennutz gegenüber dem Gemeinwohl den Vorzug geben.

Jeder einzelne vermag hier, im Rahmen des ihm Möglichen seinen Beitrag zur Entschuldung des Staates zu leisten. Rentner und Arbeitslose könnten von ihnen dem Gesetz nach zustehenden Sozialleistungen Abstand nehmen, Arbeitnehmer und Unternehmen das Finanzamt mit höheren Steuerzahlungen als verlangt beglücken, nicht ertappte Verkehrssünder freiwillige Bußgelder abführen und Inhaber von staatlichen Schuldverschreibungen auf Zinsen und Rückzahlung verzichten. Viel zu lange sind Überlegungen, wie die Bürgerbeteiligung an der Demokratie zu verbessern sei, im Vagen verblieben. Hier könnte sie endlich greifbare Formen annehmen.

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