© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

Manfred Kittel. Der Direktor der Stiftung Flucht und Vertreibung gerät unter Druck
Auf Samtpfoten
Martin Schmidt

BdV-Präsidentin Erika Steinbach ist daran gewöhnt, wegen des Zentrums gegen Vertreibungen im Rampenlicht der Medien zu stehen. Inzwischen gerät aber auch jener Mann ins Blickfeld, der als Direktor der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung (www.sfvv.de) die konzeptionelle Planung der umstrittenen Dauerausstellung im Berliner Deutschlandhaus umsetzen soll: Manfred Kittel.

Der Professor am Institut für Zeitgeschichte München und der Universität Regensburg sah sich vergangene Woche heftiger Kritik von ungewohnter Seite ausgesetzt (siehe auch Seite 6). Die im Vertriebenenspektrum wegen ihrer klugen und mutigen Bücher („Die Rache der Opfer“, „Schweres Gepäck“) hochgeachtete Publizistin Helga Hirsch zog sich demonstrativ aus dem Stiftungsbeirat zurück und forderte gleichzeitig Kittel zum Amtsverzicht auf. Hirsch wirft ihm ständiges Zurückweichen vor, statt in der laufenden Debatte die Interessen der Stiftung und der deutschen Vertriebenen offensiv zu vertreten. „Solange eine Leitung nicht imstande ist, politischen Gegenwind auszuhalten, so lange wird dieses Projekt nicht von der Stelle kommen“, so Hirsch wörtlich.

Fachlich hatte sich der 1962 im fränkischen Großhaslach geborene Kittel vor allem durch sein 2007 erschienenes Buch „Vertreibung der Vertriebenen? Der historische deutsche Osten in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik“ für das heikle Amt qualifiziert. Darin vertritt er die These, daß die sozial-liberale Koalition mit ihrer Neuen Ostpolitik wesentlich für die „zweite, geistige Vertreibung“ verantwortlich gewesen sei: ein Ansatz, der auch insofern bemerkenswert ist, als der aus einer nicht vertriebenen protestantischen Arbeiterfamilie stammende Kittel im Januar gegenüber dem Tagesspiegel bekannte, bei ihm zu Hause habe man „Willy gewählt“ und die Ostverträge akzeptiert.

Beschäftigt man sich näher mit Kittels Werk, so fällt auf, daß dessen Dreh- und Angelpunkt der Themenkomplex der Vergangenheitsbewältigung ist. Kittel, der auch als Zeitungs- und Fernsehjournalist arbeitete, bewegte sich inhaltlich fast immer auf von ideologischen Sprachregelungen geprägtem, „verminten“ Gelände. Das hat ihn vorsichtiger werden lassen und die Ecken und Kanten seines Profils als Wissenschaftler geschliffen.

In den Augen hoher BdV-Funktionäre mag diese Anpassungsfähigkeit eine Schlüsselqualifikation sein, um das stets gefährdete Zentrum gegen Vertreibungen durch die unruhige See einer tages- und geschichtspolitisch aufgewühlten Zeit zu lenken. Doch jetzt werden Kittel wie Steinbach Farbe bekennen müssen, da ihre Samtpfoten-Strategie keineswegs auf einhellige Zustimmung im Vertriebenenspektrum stößt. Denn die Verbal­attacke von Helga Hirsch ist nur Symptom einer unterschwelligen Mißstimmung und bestätigt jene Kräfte, die in dem jüngsten Kompromiß zum Zentrum gegen Vertreibungen keinen Verhandlungserfolg, sondern eine schöngeredete Niederlage sehen.

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