© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

„Ich drücke ab und sage: Kopfschuß“
Linksextremismus: Die wachsende Gewalt gegen Polizisten findet ihre Entsprechung in zahlreichen haßerfüllten Liedern einschlägiger Szenemusiker
Lars Pohlmeier

Es gab Zeiten, da reichte schon das Erscheinen eines uniformierten Polizisten, um Störenfriede in die Flucht zu schlagen. Heute sind es immer häufiger die Polizisten, die flüchten müssen“, sagte Tagesthemen-Sprecher Tom Buhrow anläßlich des europäischen Polizeikongresses Anfang Februar. Wie es dazu kommen konnte, erklärte die Nachrichtensendung dann aber nicht.

Die wachsende Gewalt gegen Polizisten wurde seit Jahren subkulturell vorbereitet. In zahlreichen linksextremen Liedern wird die Polizei verächtlich gemacht oder sogar zur Gewalt gegen sie aufgerufen. Von linken und anarchistischen Kräften wurde der Boden bereitet, auf dem nun auch die Saat der Gewalt aufgeht.

In den siebziger Jahren nahm die neue Linke die Polizei als Gegner wahr, der dem Klassenstandpunkt widersprach. Daraus folgten Appelle an die Polizisten: „Schmeißt die Knarre weg, Polizisten //die rote Front und die schwarze Front sind hier! “ heißt es in dem Lied „Die letzte Schlacht gewinnen wir“ der Gruppe Ton Steine Scherben von 1972. Die 1985 aufgelöste Band gilt in der Szene als Vorreiterin linksradikaler Musik. Allerdings waren die Texte weit entfernt von dem Ton, der kurz darauf angestimmt wurde.

Mit dem Aufkommen der Punk-Bewegung in Deutschland verschärfte sich der Tonfall in der Musik Ende der Siebziger. Die Gruppe The Buttocks aus Hamburg textete: „BGS, GSG, Bullen und Gesetze// Sie stelln sich in jeden Weg (...) Ich will hier raus, ich scheiß auf Deutschland. // Ich halt es hier nicht länger aus. // Schüsse, Scherben, Chaos und Revolte. // Hängt die Bullen auf und röstet ihre Schwänze! // Schlagt sie tot, macht sie kalt!“

Den Buttocks war keine lange Existenz beschieden, aber ihr Lied war eine Initialzündung für eine schier endlose Reihe ähnlich gelagerter Stücke und Cover-Versionen. Selbst die Punk-Pop-Band Die Ärzte, eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Musikgruppen überhaupt, nahm den Titel „BGS GSG“ auf.

Linksextreme Musiker haben kaum Konsequenzen zu fürchten, wie das Beispiel der in Stuttgart gegründeten Gruppe Normahl zeigt. In dem Stück „Bullenschweine“ von der Platte „Ein Volk steht hinter uns“ (1982) heißt es: „Haut die Bullen platt wie Stullen // haut ihnen ins Gesicht – bis daß der Schädel bricht!“ Im Jahr 2002 wurde das Lied auf der Platte „Das ist Punk“ erneut veröffentlicht. Auf diese Weise qualifizierte sich der Kopf der heute noch aktiven Band, Lars Besa, für höhere Aufgaben. Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg ließ ihn 2005 als Referenten zum Thema Jugendkultur auftreten.

Seit den neunziger Jahren wurde konsequent mit zweierlei Maß gemessen. Während es für rechtsextreme Musiker Indizierungen, Beschlagnahmen und Strafurteile hagelte, gelangten linksextreme Musiker in den Genuß zusätzlicher staatlicher Förderung. „Rock gegen Rechts“ oder „Laut gegen Rechts“ stand nun als Motto über vielen Konzerten. Es ging so weit, daß linksextreme Musiker bei Konzerten gemeinsam mit Polizisten auftreten sollten – mit teilweise kuriosen Ergebnissen: Die Gruppe Freibeuter AG aus Erlangen war im November 2008 für ein Konzert „Bunt statt Braun“ in einem Jugendzentrum in Langenzenn gebucht. Als die Freibeuter AG erfuhr, daß eine der anderen Bands aus Polizisten bestand, reagierte sie entschlossen: „Wir können es mit uns und unseren Texten nicht vereinbaren, zusammen mit einer Band auf der Bühne zu stehen, deren Musiker komplett aus Bullen bestehen“, teilten die Musiker mit. So blieben die Freibeuter ihrem Feindbild treu, das sie im Lied „Pflasterstein“ gezeichnet hatten: „Ich wollt ich wär ein Pflasterstein//ausgegraben, aufgehoben // und kommt einmal ein Bullenschwein // flieg ich hoch in
einem Bogen.“

Anbrüllen gegen „Bullen“ und den Staat

Die Punk-Musik findet zwar nach wie vor Zuhörer, neue Impulse kommen jedoch kaum noch aus diesem Genre. Stereotypes Anbrüllen gegen „Bullen“, gegen den Staat, gegen Arbeit – aber für Freibier ist mittlerweile sogar für einige Angehörige der Szene ermüdend. Nun sind Rap und Hip Hop tonangebend. Auch das mediale Umfeld hat sich geändert. Wo früher mit kopierten Schwarzweiß-Fanzines und wild geklebten Plakaten geworben wurde, stehen nun Multimedia-Möglichkeiten zur Verfügung.

Der Rapper Makss Damage aus Gütersloh ist einer der radikalsten. Titel wie „RAF Anthem“, „Stalins Way“ und „Rotfront“ lassen keine Zweifel daran aufkommen, daß sein Künstlername subtil seinen Geisteszustand widerspiegelt. In seinem Stück „Bulle am Boden“ (2007) phantasiert er: „Ich sage: PAFF PAFF – Bulle am Boden // Ich lade: PAFF PAFF – Bulle am Boden // Die Knarre – PAFF PAFF – Bulle am Boden // Ich löcher deinen Streifenwagen durch – Bulle am Boden“ [...] „und jeder rechtsradikale Bulle stirbt den Heldentod. // Eure Argumentation braucht ’nen Rostschutz, // ich mach’s wie ihr mit Baader, drücke ab – und sage: Kopfschuß!“

Das Stück wird auf dem Internet-Portal YouTube angeboten. Es ist unterlegt mit Szenen eines „Killerspiels“, in dem serienweise Polizisten niedergeschossen und in die Luft gesprengt werden.

Die Gewalt gegen Polizisten wächst weiter, und Experten befürchten bald erste Todesopfer. Eine Strafverschärfung als Gegenmittel ist umstritten, da sie die Ursachen nicht bekämpfe. „Die dahinterliegenden Probleme müssen in Angriff genommen werden: die Strukturen, die sich da entfalten, daß es Subkulturen gibt, die sich abkapseln vom Staat“, resümiert der Kriminologe Christian Pfeiffer.

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