© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

Gericht wertet „Bodenreform“ als politische Verfolgung
Sachsen: Ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts rehabilitiert Unschuldige und bietet Betroffenen die Möglichkeit für weitergehende Klagen
Klaus Peter Krause

Opfer der sogenannten Bodenreform in der einstigen Sowjetischen Besatzungszone (1945 bis 1949) sind mit dieser Reform Opfer politischer Verfolgung gewesen. Die damit verbundenen Vertreibungen waren rechtsstaatswidrig. Daher sind diese Opfer nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) zu rehabilitieren. Das ist der entscheidende Kern des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 10. Dezember 2009, dessen Begründung nun vorliegt (Aktenzeichen: BVerwG 3 C 25.08).

Damit hat dieses Gericht mit seinem Dritten Senat erstmals deutlich ausgesprochen und verbindlich entschieden, daß die damalige „Bodenreform“ mit dem Entzug der Ländereien und allen übrigen Vermögens nicht einfach nur der Landumverteilung diente, sondern tatsächlich mehr und auch ganz etwas anderes war. Es bestätigt nunmehr, was den tatsächlichen Hergängen schon immer entsprach und historisch längst erwiesen ist: „Die Bodenreform war eine Maßnahme der politischen Verfolgung.“ Bisher war der „Bodenreform“ nicht zuerkannt worden, daß sie (auch) der Verfolgung und der Sanktionierung der größeren und ganz großen Landeigentümer (100 Hektar und mehr) diente, weil diese von den damals herrschenden Kommunisten als „Klassenfeind der Arbeiter und Bauern“ hingestellt und verleumdet wurden.

Weiter heißt es in der Urteilsbegründung: „Auch wenn die Enteignungen in diesen Fällen erst bei einer bestimmten Betriebsgröße ansetzten, richteten sie sich erklärtermaßen gegen die ‘Junker und Großgrundbesitzer’, also gegen eine bestimmte Personengruppe, die nach ihrer sozialen ‘Klasse’ definiert war. Insofern war die Bodenreform politische Verfolgung.

Ausdrücklich nur die Rehabilitierung verlangt

Diese Charakterisierung gilt verstärkt für die im Zusammenhang mit der Bodenreform verübten und sie kennzeichnenden Schikanen und Drangsalierungen, die wie die Bodenreform selbst von der Motivation getragen waren, die Betroffenen aus der Gesellschaft auszugrenzen. Zu diesen diskriminierenden Maßnahmen zählen auch die sogenannten Kreisverweisungen.“

Die auf Rehabilitierung ihrer Familie klagende Frau hatte ausdrücklich nur die Rehabilitierung ihres Vaters und ihrer Familie verlangt, nicht auch die Rückgabe der Ländereien. Wird nämlich mit der Rehabilitierung auch die Vermögensrückgabe oder, wenn nicht mehr möglich, Entschädigung verlangt, pflegt die bisherige (aber gesetzlich wie rechtlich falsche) Rechtsprechung die Rehabilitierung zu verweigern, um diese Rückgabe zu verhindern. Sie stützt sich damit noch immer auf die aus fiskalischen Gründen vorgebliche (aber längst als Täuschung erwiesene) sowjetische Bedingung von 1989, die eine Rückgabe untersage, um die einstige Sowjetunion nicht einem Unrechtsvorwurf auszusetzen.

An diesen Fehlentscheidungen hält das Bundesverwaltungsgericht mit seiner nun vorliegenden Urteilsbegründung auch in diesem Fall immer noch fest. Ausdrücklich weist es in einem Nebensatz darauf hin, die Bodenreform habe „primär der Landbeschaffung“ gedient und falle daher „nach der Rechtsprechung des Senats nach Paragraph 1, Absatz 2 VwRehaG unter den Anwendungsvorrang des Vermögensgesetzes“.

Tatsächlich jedoch ist das Vermögensgesetz in diesem wie in den vergleichbaren Fällen der damaligen politischen Verfolgung nicht einschlägig, weil es einen ganz anderen Sachverhalt regelt. Das jedoch wollen die Gerichte noch immer nicht wahrhaben. Sie verkennen und verstoßen damit gegen die Systematik der gesetzlichen Regelungen, die für die Wiedergutmachung von Unrecht in der SBZ- und der DDR-Zeit seit 1989 getroffen worden sind (JF 17/06).

Gericht hält an falscher Rechtsprechung fest

Diese falsche Rechtsprechung hatte zur Folge, daß unschuldig bestrafte und damit politisch verfolgte Familien, denen dabei auch alles Vermögen entzogen worden war, nur deswegen nicht rehabilitiert werden, weil ihnen mit der Rehabilitierung auch das Vermögen zurückgegeben werden müßte oder, wenn für eine Rückgabe nicht mehr verfügbar, die dann fällige Entschädigung gezahlt werden müßte. Um aber diesen Opfern die Möglichkeit einzuräumen, sich wenigstens von den falschen Anschuldigungen und Verurteilungen freisprechen (rehabilitieren) zu lassen, ist für solche Fälle später der Paragraph 1a in das VwRehaG eingefügt worden. Auf ihn stützt sich auch das vorliegende Urteil.

Obwohl aber das Gericht an seiner bisher falschen Gesetzesauslegung und damit falschen Rechtsprechung festhält, bricht sein Urteil einen wichtigen und weiteren Stein aus der Abwehrmauer gegen Vermögensrückgabeansprüche der 1945 bis 1949 Enteigneten heraus. Denn damit fallen sie (nach der bisher falschen Rechtsprechung) nicht in den Geltungsbereich des Vermögensgesetzes sondern in den des VwRehaG.

Damit eröffnet sich jetzt, wie der Anwalt Stefan von Raumer kürzlich auf einer einschlägigen Tagung in Waren sagte, die Möglichkeit, mit weiteren Klagen gerichtlich prüfen zu lassen, wie diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit seinen früheren Urteilen in Übereinstimmung zu bringen ist – „besonders im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes des Grundgesetzes“ nach dessen Artikel 3. Anwalt von Raumer ist es auch, der diesen Prozeß für seine Mandantin gewonnen hat.

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