© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

Energiewende ohne Ende
Solarenergie: Bundeskabinett beschließt Subventionskürzungen / Widerstand aus der Photovoltaikbranche und den Ländern
Björn Schlawe

Die Sonne schickt uns keine Rechnung“, so lautet der Titel eines Erfolgsbuches des Umweltaktivisten Franz Alt. In der bundesdeutschen Realität wird für die finanzielle Förderung von Solar- oder Windkraftanlagen sehr wohl eine Rechnung fällig – durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wird sie auf die Stromkunden umgelegt. Betreiber von Photovoltaikanlagen erhalten je nach dem Jahr der Inbetriebnahme für 20 Jahre konstante Einspeisevergütungen von 25 bis 57 Cent pro Kilowattstunde für ihre Lieferungen ins Stromnetz.

Verbraucher und Unternehmen machen daher Front gegen diese nicht direkt vom Steuerzahler erbrachten Öko-Subventionen: „Die Mehrkosten werden alleine für die im Jahr 2009 gebauten Anlagen über zehn Milliarden Euro betragen, bis zum Jahr 2013 fallen voraussichtlich weitere 40 Milliarden an“, heißt es in einem Papier der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV).

Die Verbrauchspreise stiegen ansonsten „in nicht mehr tragbare Dimensionen“ und stünden „in keinem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen der Förderung und den Kosten anderer Klimaschutzmaßnahmen“, so die VZBV. „Solarstrom wird durch die staatlich induzierte Förderung künstlich teuer gehalten.“ Klimaschutztechnologien könnten sich nur verbreiten, „wenn sie ohne Subventionen auskommen“. Das Bundeskabinett hat sich daher Anfang März auf einschneidende Korrekturen der Förderbedingungen geeinigt. Die Förderung von Solaranlagen auf Dächern soll demnach ab Juli um 16 und auf Freiflächen um 15 Prozent gekürzt werden. Bei Anlagen auf Konversionsflächen (etwa früherem Militärgelände) werden elf Prozent gekappt. Anlagen auf Ackerflächen sollen keine EEG-Vergütung mehr erhalten. Gleichzeitig soll laut Bundesumweltministerium das jährliche Solar-Ausbauvolumen von 1.700 auf 3.500 Megawatt verdoppelt werden.

60.000 Beschäftigte in der deutschen Solarbranche

Letzteres dürfte allerdings kaum ausreichen, denn Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat erklärt, daß ab einem Anteil von 40 Prozent erneuerbarer Energien „keine Notwendigkeit mehr für Kernenergie“ besteht. Er inszenierte sich damit „als der Minister, in dessen Amtszeit die erneuerbaren Energien einen großen Sprung nach vorne machen“, wie die Süddeutsche Zeitung lobte. Röttgens Hinwendung zu Sonnen-, Wind- oder Wasserkraft ermöglicht der Union vielleicht schwarz-grüne Koalitionsoptionen in Düsseldorf und anderswo. Aber die beschlossenen Kürzungen für Solaranlagen widersprechen seinem Atomausstiegsszenario.

Begründet wurde der EEG-Einschnitt mit den wirtschaftlichen Erfolgen der Solarbranche. Doch die Realität sieht anders aus. Den deutschen Solarfirmen verbleiben, gemessen am Risikopotential des Marktes, relativ geringe Gewinn­margen. Die langfristigen Investitionen in hiesige Produktionsstätten basierten auf dem Vertrauen in die prognostizierten Fördersätze und den daraus erwachsenden Absatzmärkten. Gelingt es den Unternehmen nicht, die Abwanderung der Kunden an Billig-Konkurrenten aus China zu verhindern, drohen anhaltende Überschuldung oder Insolvenzen.

Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts wäre eine Absenkung der Förderung von bis zu zehn Prozent durchaus gerechtfertigt. Die beschlossenen Kürzungen ignorierten jedoch die mittelfristige Preisentwicklung und gefährdeten die heimische Solarbranche, in der es laut Bundesverband Solarwirtschaft etwa 60.000 Beschäftigte gibt.

Die Solarbranche drängt daher darauf, die Gesetzesnovelle nachzubessern. Unterstützung kommt aus Bayern, Rheinland-Pfalz und Thüringen. „Die jetzt geplanten Kürzungen in der Solarförderung bergen das Risiko, daß diese für Deutschland und Bayern wichtige Zukunftsbranche geschwächt wird“, warnte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) vorige Woche im Handelsblatt.

Aber gibt es überhaupt Alternativen jenseits der EEG-Einspeisevergütung? Ein Ansatz wäre die nachhaltige Unterstützung bei Forschungsprojekten zur Verstetigung bestehender Wettbewerbsvorteile von deutschen Firmen. Dies würde einerseits den Standort Deutschland stärken und zudem die regenerative Energiewende globalisieren. Als weiteres Manko erneuerbarer Energien gelten die eingeschränkten Möglichkeiten der heimischen Stromnetze. Zur Ausnutzung regenerativer Potentiale wäre der Netzausbau und die bislang ungelöste Energiespeicherung zu fördern. Denn Solarenergie gibt es nur bei Sonnenschein, Windräder drehen sich bei Flauten nicht. Es ist nicht hinnehmbar, daß Ökostrom wegen Netzüberlastung nicht eingespeist werden kann – doch wohin mit dem überschüssigen Strom? Eine stärkere Förderung des direkten Eigenverbrauchs, wie jetzt beschlossen, kann nur eine Übergangslösung sein.

Der einst von Rot-Grün festgezurrte Atomausstieg wird seitens der jetzigen Bundesregierung flexibler ausgelegt, doch ein langfristiges Energiekonzept fehlt. Das Hauptproblem der angeblich kostengünstigen Kernenergie – die Suche nach einem sicheren Endlager – ist ungelöst. Allein die Umlagerungskosten der Endlagerhoffnung Asse (JF 6/10) verursachen laut Schätzungen etwa ein Drittel jener Kosten, die an Förderung durch die Installation aller 2009 verbauten Solarmodule fällig werden wird. Für diese über drei Milliarden Euro muß nun der Steuerzahler aufkommen.

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